Da hat sie mich nun
erwischt, die große Frage, was darf man schreiben und was sollte man tunlichst
lassen. Ausgelöst wurde sie durch einen Rundbrief, der mich von meinen grünen
Freunden erreichte. In ihm wurde an den Beginn des Fastenmonats Ramadan erinnert
und allen Mitfastenden eine friedliche und segensreiche Zeit gewünscht. Eine
nette, freundliche Geste den Anhängern einer Religion gegenüber, die
mittlerweile einen nicht unbedeutenden Teil unserer kulturell und religiös
vielfältigen Stadtgesellschaft ausmachen. Aber so richtige Freude über diese
große Geste wollte bei mir nicht aufkommen. Nicht, weil ich mit Religion seit
einigen Jahrzehnten nicht mehr viel am Hut habe. Da soll jeder und jede nach
seiner und ihrer Fasson selig werden. Und so hatte es mich eigentlich nie
gestört, dass in besagten Rundbriefen weder auf ein gesegnetes Weihnachtsfest
oder ein fröhliches Ostern (oder was man noch so sagt zu den diversen
religiösen Anlässen) hingewiesen wurde. Da gibt’s ja auch noch das jüdische Hanukkah
und sicherlich etliche mir noch weniger geläufige Fest- und Feiertage, die es
zu beglückwünschen gilt. Auch der evangelische Kirchentag, der an jenem
Wochenende stattgefunden hatte und den evangelische Christen sicherlich viel
bedeutete, fand trotz Lutherjahr keine Erwähnung. Warum also der besondere Hinweis
auf die muslimische Fastenzeit? War doch die christliche Fastenzeit den
Rundbriefschreibern keine Zeile wert. Im Gegenteil, den aufopferungsvollen
Kampf gegen das Tanzverbot am Karfreitag haben sich die Grünen, insbesondere
die tanzfreudigen Junggrünen in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf die
Fahnen geschrieben. Und da war sie dann, die Schere: darf ich über diese
einseitige Behandlung von Religionen und die mir dadurch etwas anbiedernd
erscheinende Haltung gegenüber dem Ramadan bei meinen Grünen meckern? Wir
können die Religionen als Privatsache ganz draußen vor lassen und uns
allenthalben an den durch sie veranlassten Ferien und freien Tagen erfreuen.
Oder wir setzen uns kritisch mit ihnen auseinander. Siehe das
Karfreitagstanzverbot oder aber auch ein Fastenverbot für Schulkinder.
Religionsfreiheit ist untrennbar verbunden mit der Freiheit der
Religionskritik. Hier tut sich aber gerade der Islam in seinen vorherrschenden
Ausprägungen immer noch äußerst schwer. Da muss auch eine zur Schau gestellte
Islamfreundlichkeit hinterfragt werden dürfen, mal so ganz ohne Schere im Kopf
bzw. der PC-Tastatur.
Eine andere Art
unhinterfragter Selbstzensur macht sich derzeit breit: ganz lapidar wird in der
Berichterstattung über irrsinnige Terroranschläge dann verkündet, dass der oder
die Täter erschossen wurden. Ja richtig, waren ja auch Menschen der übelsten
Sorte, die zuvor Unschuldige getötet hatten. Wirklich richtig? Traut man sich
eigentlich zu sagen, dass hier die Todesstrafe durch die Hintertür bzw. den
Lauf einer Polizeipistole eingeführt wird. Kritisches Hinterfragen, ob denn der
Todesschuss notwendig war, statt den Täter durch gezielte Schüsse kampf- und
bewegungsunfähig zu machen, führte ja schon mal zu einem vorwurfsvollen
Aufschrei des veröffentlichten gesunden Volksempfindens. Die Tat muss nur
scheußlich genug sein, dann wird die ganze humanistisch geprägte
Rechtsstaatlichkeit mir nichts dir nichts über Bord geworfen, um sich zwei oder
drei Artikel später über Hinrichtungen in den USA zu mokieren. Und in den
TV-Krimis wird das Feld ja schon vorbereitet, dass der finale „Rettungs“- also
Todesschuss immer mehr zum Standard wird, um einen Täter auszuschalten. Hier
bekommt der unselige Spruch rechter Schreiberlinge „man wird ja wohl nochmal
sagen dürfen“, um dann rassistische und menschenverachtende Hasstiraden
loszuwerden, endlich mal einen positiven Sinn: ja, man muss sagen dürfen, dass
das Verbot der Todesstrafe auch für grausame und unmenschliche Terroristen
gilt.