Dienstag, 17. Dezember 2019

Zurück in die Zukunft (Dezember 2019)

Wer hätte das gedacht: die Renaissance der Alchemie, jener obskuren mittelalterlichen „Wissenschaft“, die unter anderem zum Ziel hatte, aus Scheiße Gold zu machen, sie feiert fröhliche Urständ in den HighTech-Gefilden an der us-amerikanischen Westküste. In Anlehnung an Loriots „Wir bauen uns ein Atomkraftwerk“*) wird dort am Konzept des Schnellen Brüters für jedermann gebastelt. Dieses neue Wunderwerk der Technik erledigt all unsere Energiesorgen bis in alle Ewigkeit. Statt CO² produzierender Kohlekraftwerke, statt ineffektiver, die Landschaft verschandelnder regenerativer Energieerzeugungsspargel versprechen uns die Heilsbringer aus dem fernen Seattle das Atomkraftwerk für nebenan. Wobei Seattle sehr ungenau ist, denn tatsächlich wird die Idee in Bellevue ausgebrütet, einem Ort nahe Seattle in Sichtweite von Bill dem Gates (der auch ein paar Taler zur Entwicklung beisteuert) oder Amazon-Chef Bezos. Schöne Aussicht im Wortsinne des Ortsnamens. Aber es ist ja nicht nur das Versprechen, endlich die absolut sichere Lösung der Kernspaltung und das auch noch quasi in jedem Garten gefunden zu haben. Nein, der große Clou ist die Lösung des Problems der Entsorgung von Atommüll, weil diese netten kleine Heim-AKWs diesen Jahrtausendmüll angeblich restlos verbrennen und in unendliche Energie umwandeln sollen. Das ist doch jetzt wirklich mal ne frohe Botschaft, mit der die Verwirklichung des Traums, Scheiße in Gold zu verwandeln, verkündet wird.

Für den Weg zurück in die Zukunft haben sich jetzt ja auch unsere britischen Freunde entschieden. Befreit von den Fesseln eurobürokratischer Vorschriften und Regularien, wird die frühere nordenglische Industrielandschaft zu neuer Blüte gelangen. Die Fischer der englischen Küstenorte werden nun endlich wieder Unmengen von Fischen aus den eigentlich leergefischten Fanggründen der Nordsee angeln, was ihnen die letzten vierzig Jahre von den Brüsseler Sesselpubsern verboten worden war. Das stolze Albion, das Land von König Arthur und Prinz Eisenherz wird neu erstehen aus den Ruinen, die die Herrschaft der Europäischen Union hinterlassen hat. Und das alles zur Freude des Herrschers auf der anderen Seite des Atlantiks, den nicht nur die Haarfarbe mit dem englischen Wahlsieger verbindet. Verbinden tut die beiden ja auch ein eigenartiges Wahlsystem, dass die Amerikaner trotz ihrer Loslösung vom Empire vor nahezu einem Vierteljahrtausend weitergeführt haben. Dieses fälschlicherweise als „Mehrheits“wahlsystem bezeichnete Verfahren sorgte in beiden Ländern für eine Verfälschung des Mehrheitswillens. Schon Al Gore hatte bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 mehr Stimmen als George W. Bush und verlor trotzdem. Sogar die nicht sehr beliebte Hillary Clinton gewann stimmenmäßig gegen den Trumptower, hat aber nichts genützt. Keine schönen Aussichten für das nächste (Wahl)Jahr.

Schöne Aussichten beschert uns allerdings die Deutsche Bahn: per Videowandwerbung in der S-Bahnstation habe ich nun morgens noch Zeit für Yoga, weil mich der DB Streckenagent über die Verspätungen der Bahn informiert. Soviel Selbstironie hätte ich die Bahnern gar nicht zugetraut.

Nicht Selbst- aber Ironie ist ja die schon einmal von mir bemängelte Tatsache, dass die Hessischen Verkehrsverbünde dem Land Hessen ein Jahresticket für sage und schreibe 340 Euro pro Landesbedienstetem überlassen (51 Mio € für 150.000 Beschäftigte). Irgendwie sollte mal eine Sammlung unter mindestens 150.000 Nutzern des ÖPNV organisiert werden, wo jede/r 340 Euro einzahlt und dafür dann auch ein Jahresticket erhält. Allemal günstiger als dies immer noch nicht verfügbare 365-Euro-Ticket für alle.

Wär doch mal was für Campact