Die Älteren unter uns kennen ihn noch, diesen klassenkämpferischen Kürzelbegriff, der in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts so manches Jungsozialistenherz höher schlagen ließ. Stamokap war das Zauberwort, mit dem die Maske vom freundlich scheinenden Gesicht unserer kapitalistischen Gesellschaft gerissen wurde: der „staatsmonopolistische Kapitalismus“. Also jene Endform des kapitalistischen Systems, dass sich nach der strengen marxistisch-leninistischen Lehre nicht nur monopolistisch organisierte, sondern sich der Konkurrenz mit Hilfe eines willfährigen Staates entledigte und sich so die Herrschaft über die Produktionsmittel, die Menschen und die ganze Welt sicherte. Ja, ich weiß, das ist jetzt etwas vereinfacht wiedergegeben, schließlich wurde die systemkritische Analyse in meterdicken Werken wissenschaftlich, na ja, fast wissenschaftlich aufgearbeitet und in stundenlangen Diskussionen in verräucherten Stuben, WG-Küchen, politischen Versammlungen und auch in Hörsälen bis ins Detail durchgekaut. Und noch heute kokettieren führende Kräfte unserer Gesellschaft damit, auch mal Stamokap gewesen zu sein. Und sie waren das vielleicht auch, die dann zwanzig Jahre später in den Neunzigern begannen, mit den Monopolen aufzuräumen. In Ermangelung von Zugriffsmöglichkeiten auf die privaten Monopole, auf die Konzerne und Banken nahm man sich die öffentlich kontrollierten Staatsmonopole zur Brust. Das nannte man dann Deregulierung, war aber wohl eher ungeregelte Privatisierung.
Und die Erfolge sind ja denn auch frappierend. Während wir früher die Postbeamten hatten, mit Beihilfe- und Pensionsanspruch, haben wir jetzt ein Heer mindestlohngeschützter und ein noch größeres Heer subunternehmender Paketausfahrer konkurrierender Logistikunternehmen. Und statt einem eintönig gelben Paketauto stellen jetzt mindestens fünf unterschiedlich bemalte die Straßen voll, um uns alle mit den online erworbenen Produkten zu beglücken. Dank Deregulierung kann nun auch der Versandhändler Amazon noch ins Logistikgeschäft einsteigen. Amazon ist ja nun wirklich der existierende Beweis dafür, dass Konkurrenz das Geschäft eben nicht belebt. So stärkt dann die Deregulierung staatlicher Monopole die Bildung privater Monopole, die dann aber öffentlicher Kontrolle entzogen sind.
Wen sollte es denn da eigentlich verwundern, wenn die frühere Staatsfluggesellschaft Lufthansa sich nach der deregulierten Privatisierung sich nun auch wie ein Marktunternehmen verhält. Da geht Air Berlin pleite, weil der Sponsor aus den Scheichtümern der Emirate nicht mehr zahlen will. Die Lufthansa kauft einen Teil der Konkursmasse und übernimmt einen Teil der Beschäftigten. Dass den anderen angeboten wird, sich bei der konzerneigenen Billigtochter zu wohl schlechteren Bedingungen neu bewerben können, führt ausgerechnet auch bei den Deregulierungsfans zu Empörung. Die Alternative wäre Arbeitslosigkeit oder der Aufkauf durch eine Billigfluglinie á la Ryanair mit den entsprechenden Arbeitsbedingungen. Der Ausstieg der Lufthansa aus dem Deal mit der Urlaubslinie Nikki hat die Situation der 1000 Beschäftigten ja nun auch nicht gerade verbessert. Und auch das Jammern über mögliche Preissteigerungen im innerdeutschen Luftverkehr nach Wegfall der Konkurrenz ist eigentlich absurd. Innerdeutsche Flüge können nicht teuer genug sein, um mit diesen Unsinn endlich aufzuhören.