Stürme fegen über das Land. Nein über Europa und den ganzen Globus. Aber es sind nicht diese jahreszeitlich und wettermäßig bedingten, in ihrer Stärke und Unberechenbarkeit aber wohl eher dem Klimawandel geschuldeten Stürme mit den netten Namen wie Mortimer oder Dorian oder Lorenzo. Nein, gemeint sind natürlich, wie der germanisierten Überschrift unschwer zu entnehmen, die shitstorms, die durch das weltweite Netz, das World Wide Web also, wabern. Aber im Gegensatz zu einem wirklichen Sturm, verspüren die ganzen Teilnehmer an diesem ominösen Internet eigentlich gar nichts von einem Sturm. Ein meteorologischer Sturm richtet Schäden an ohne Ansehen von Person, Haus und Gut. Ein shitstorm richtet sich eigentlich immer gegen eine Person, die irgendwas falsches gesagt, geschrieben, getwittert, gefacebooked hat. Also falsch in den Augen der Shitstormer. Und nun frage ich mich, wie das eigentlich genau funktioniert.
Also mal angenommen, ich schreibe hier was ganz Schlimmes, also zum Beispiel, dass wir deutsche Soldaten ins syrische Kurdengebiet an die Grenze zur Türkei schicken sollten, um den Terror der türkischen Invasoren und ihrer Helfer zu verhindern. Gut, ich weiß, die deutsche Soldateska ist nicht gerade in einem Zustand, um Herrn Erdogan das Fürchten zu lehren. Immerhin haben wir ihm ja unser ganzes Kriegsgerät verkauft. Aber sei‘s drum, alle, die das für unheimlich kriegstreiberisch ansehen, wollen nun einen Shitstorm gegen mich lostreten. Aber wie? Also was ins Netz stellen. Aber wo? Fatzebook hab ich nicht, Twitter ist mir ziemlich fremd. Und wenn ich dann so rumgoogel oder firefoxe erwischt mich eigentlich auch keiner. Bleibt nur der Leserbrief, sozusagen als analoges Shitlüftchen, der dann auch noch vier Wochen später abgedruckt werden muss, wo sich dann sowieso keiner mehr dran erinnert.*) Aber andererseits ist das auch ganz schön blöd. Da lässt man mal die Sau raus, schreibt was Provokantes, und keinen scheint es zu jucken, weil das Schreiben von Leserbriefen zu anstrengend ist, immerhin muss man da ganze Sätze ausformulieren und vielleicht sogar noch argumentieren. Insofern könnte einen ein schöner Shitstorm auch richtig wichtig machen. Vorausgesetzt, die Leute kriegen es auch mit.
So wie bei diesem Lachkaspar Dieter Nuhr-im-Ersten. Bei dem ging nach seinen doch etwas doofen Späßchen über unsere Friday-Greta (nun bitte wegen der etwas respektlosen Wortwahl nicht gleich einen Shitstorm veranstalten!) ein Shitstorm los. Wüsste ich nicht, hätte ich es nicht in der Zeitung gelesen. Also schaute ich mir dann seine nächste Sendung an. Und siehe da, mit nahezu stolzgeschwellter Brust verkündete er, wie da ein wahnsinniger Shitstorm über ihn hereingebrochen ist, bloß weil er ein Witzchen über Greta gemacht hätte. Ob’s tatsächlich einen Shitstorm gegeben hat oder nur seine PR-Abteilung etwas aufgeblasen hat, auf jeden Fall triefte ihm sein Stolz ob der durch den (vermeintlichen) Shitstorm hervorgerufenen Wichtigkeit aus allen Poren.
Nun will ich das natürlich nicht verharmlosen oder ins Lächerliche ziehen, wenn in so einem Shitstorm Drohungen, rassistische, menschenverachtende Angriffe und ähnliches laufen. Aber da frage ich mich dann schon, ob diese Anonymität im Internet tatsächlich ein Ausdruck von Freiheit und freier Meinungsäußerung ist. Aber wenn ich jetzt dafür plädiere, dass man Facebook- oder Twitteraccounts nur mit personalisierter Anmeldung wie beim Handy einrichten können sollte, geht bestimmt auch gleich ein Shitstorm los. Also Leute, greift zur Feder und schreibt ganz stürmisch.