Ein Gespenst geht um in der westlichen Welt: das Gespenst der alten weißen Männer (AWM). Nicht erst seit der #MeToo-Debatte, aber verstärkt seitdem, steht dieser ominöse alte weiße Mann für das Verdorbene im Manne schlechthin. Man sieht sie förmlich vor sich, die Rest-Testosteron gesteuerten Greise, denen der Sabber beim Anblick (nicht nur) attraktiver Frauen aus den Mundwinkeln läuft. Und da sie allesamt an den Schalthebeln der Macht sitzen, nutzen sie dieses weidlich zur Befriedigung niedrigster männlicher Bedürfnisse aus. Ja sicher, es gibt sie, diese Weinsteins, Trumps, Strauss-Kahns und ihre Kumpane. Aber für die Mehrheit dieser Altersklasse gilt wohl eher die Selbsterkenntnis der Tutti-frutti Ikone aus den Anfängen des westdeutschen Privatfernsehens, Hugo Egon Balder, der zugab, auch im Alter weiterhin gerne jungen Frauen hinterherzuschauen, aber eigentlich gar nicht mehr genau wisse, warum. Und bei Licht betrachtet – das im Übrigen gar nicht so hell sein muss -, sind es ja nicht (nur) die Alten und/oder die Weißen, die ihre Machtstellung gegenüber ihren Untergebenen sexuell, finanziell, gesellschaftlich ausnutzen. Das gemeinsame Merkmal ist „Mann“. Aber das ist ja nun wirklich keine neue Erkenntnis.
Also was soll eigentlich dieses Alte-weiße-Männer-Bashing bewirken? Altersdiskriminierung? Rassismusvorwurf? Immerhin war in der von humanistisch Gebildeten verklärten hellenistischen Antike der alte Mensch – zumeist, da hat sich bis heute ja nicht viel geändert, der Mann – zugleich auch der zu achtende weise Mann. Über die ihm immer wieder nachgesagte Vorliebe zur Knabenliebe wurde großzügig hinweggelächelt. Also nochmal: was soll diese Alt-Weiß-Mann-Zuschreibung? Wie dem alten, weißen und weißhaarigen (zumindest von dem, was noch übrig geblieben ist) Schreiber zugetragen wurde, wird AWM nun auch zum Stilmittel politischer Auseinandersetzung, eher vielleicht sogar Diffamierung. Da gibt es zur Zeit öffentlich ausgetragene Differenzen zwischen dem fürs Wohnungswesen zuständigen Landesminister Tarek Al-Wazir und großen Teilen seiner Frankfurter Basis über die Sinnhaftigkeit eines Verbots, Wohnhäuser über Jahre leer stehen zu lassen. Dass sich die Oppositionsparteien daran erfreuen, gehört zum politischen Alltagsgeschäft. Dass aber eben jener Minister seine innerparteilichen Kritiker der AWM-Kategorie zugeordnet haben soll, sozusagen als Alte-Männer-Geschwätz oder Alte-Männer-Grantelei abtat, steht ihm, der sich doch so aufopferungsvoll für ein landesweites Seniorenticket (also auch ein bisschen AWM) stark macht, nicht gut zu Gesicht. Was eigentlich macht es einem mittelalten Minister so schwer, den Großstadt-Regierungen ein Instrument an die Hand zu geben, um gegen Leerstandsspekulanten vorzugehen. Wenn es denn keine gibt, wie er behauptet, wird das Instrument halt nicht angewendet. Aber eben, wenn …