Sonntag, 28. April 2019

Wohl bekomms (April 2019)

Wer hätte schon etwas dagegen, dass es Tieren wohlergeht. Na ja, nicht allen Tieren. Also mit Ratten zum Beispiel scheint das ja so eine Sache zu sein: Einerseits füttern wir sie ständig, indem ungebremst Speiseabfälle über die Klospülung in die Kanalisation verbracht werden, wo sie den netten Nagern ein Festmahl bereiten. Andererseits ruft kaum ein Säugetier mehr Ekel hervor als eben die gemeine Kloakenratte aus dem städtischen Untergrund. Auch Meister Lupus, der ständig Großmütter, Rotkäppchen und kleine Zicklein verspeist, steht auf der Beliebtheitsskala – zumindest in einigen Landstrichen – nicht gerade weit oben. Ebenso die gemeine Stadttaube, oftmals als Ratte der Lüfte diffamiert, weckt allerhöchstens bei einigen alleinstehenden älteren, zumeist weiblichen Menschen den Versorgungstrieb und führt zu – oft untersagten – Fütterungsorgien. Von Schlangen, Spinnen und Wespen will ich gar nicht weiter reden.

Nein, aber sonst bricht uns beim Leiden der Kreatur schon das Herz, wenn wir sehen, wie Rinder in irgendwelchen entfernten Häfen an einem Bein hängend vom Schiff auf einen LKW verladen werden. Natürlich klatschen wir da Beifall, wenn unsere Umweltministerin solcherart Quälerei von Tiertransporten untersagt. Und die ganzen niedlichen Schäflein, Häslein und Hündchen (natürlich außer dem beißwütigen Kampfterrier), denen soll es halt gut gehen. Dafür treten dann ja bei der anstehenden Europawahl allein fünf Gruppierungen an, die den Begriff Tierschutz im Namen haben*). Die Grauen Panther zähle ich jetzt mal trotz des tierischen Namens nicht dazu. So nimmt es denn auch nicht Wunder, dass die Vorreiter tierischen Wohlergehens, die Feinkostketten Lidl, ALDI, Netto, Penny und wie sie alle so heißen mögen, sich nun bei Tierwohlinitiativen nahezu überschlagen. Wenn am Wochenende die bunten Prospekte dieser Ketten im Briefkasten landen, kommen einem beim Studium bei so viel bunt gedruckten Guttieretum fast die Tränen. Da wird zertifiziert und ausgezeichnet, was das Zeug hält – besser wohl: was die Fantasie einer Marketingagentur so hergibt. Und nun, während die Vorreiterin des nachdenklichen Tierwohls, Bundestierwohlministerin Klöckner, noch über die Gestaltung bundeseinheitlicher Fleischlabels sinniert, ergreift der progressive LEH (Lebensmitteleinzelhandel) die Initiative: der Haltungskompass wird geboren. Von Stufe 1 bis 4 werden jetzt die Fleischerzeugnisse nach Haltungsnoten bewertet, also Tier- nicht Körperhaltung. Über die staatlich sanktionierte Massentierquälerei der Stufen eins (Stallhaltung mit 0,75 Quadratmeter Fläche für Mastschweine) und zwei (Stallhaltung plus) ist ja hinlänglich kritisch berichtet worden. Da auch die Stufe drei ja lediglich mit etwas mehr Frischluftzufuhr zu punkten versucht, scheint letztlich ja nur die beworbene Stufe vier Sinn zu machen. Die wird mal als Premium, mal als Bio bezeichnet. 

Aber nun kommt’s: Groß sich schulterklopfend beworben tauchen die Kennzeichnungen in dieser vierfachen Vielfalt in den Läden der beteiligten Ketten nicht mehr auf. Schweinefleisch gibt es so gut wie ausschließlich nur in der Tierqualstufe 1 (ich hab zumindest keine andere Note entdeckt). Stufe zwei findet man ab und an mal bei den Hähnchenprodukten. Bio, mit dem sich diese Läden ja nun marketingtechnisch zunehmend schmücken, gibt’s nur durch den Fleischwolf gedreht. Das heißt, Produkte der Kompassstufen 3 und vier werden tatsächlich gar nicht angeboten. Das kann man dann wohl auch getrost Verarsche nennen. Vorschlag an die Tierwohl-Discounter: kassiert einfach an der Kasse für je 100 Gramm Fleisch je nach Haltungsstufe 10 (Stufe 1) oder 5 (Stufe 2) Eurocent zusätzlich fürs Tierwohl und gebt das in einen Fond für ökologisch produzierte heimische Lebensmittel. Das kann man den Kunden sicherlich mit der ganzen Überzeugungskraft eurer bunten Wochenprospekte klarmachen.

Aber wer hört schon auf mich.

*)

PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ (Tierschutzpartei)

Aktion Partei für Tierschutz – DAS ORIGINAL (TIERSCHUTZ hier!)

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei)

PARTEI FÜR DIE TIERE DEUTSCHLAND (PARTEI FÜR DIE TIERE)

Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz (Tierschutzallianz)