Sonntag, 16. Dezember 2018

Begriffsverwirrungen (Dezember 2018)

Worte als Hauptbestandteil von sprachlicher Verständigung sind ja erstmal neutral. Das Wort „rot“ beschreibt eine Farbe, man hätte sie auch blau nennen können, aber man hatte sich vor Urzeiten halt auf die Bezeichnung rot geeinigt, so dass nun jeder und jede weiß welche Farbe gemeint ist. Nun kann ein Wort aber auch zu einem Begriff werden, also zu etwas, das uns etwas begrifflich, begreifbar werden lässt. Weil in der jüngeren Geschichte die Linken von SPD bis irgendwo mal die Farbe Rot als Standessymbol erkoren haben, werden sie nun die Roten genannt, obwohl sie mit der Farbe ja gar nichts zu tun haben. Nun wollte ich aber hier nichts zu den Farbausprägungen unserer Parteienlandschaft schreiben, sondern zu den Begriffen, die Worten unserer Sprache zugeordnet werden. Und da gibt es doch gewaltige Verwirrungen oder vielleicht auch Verirrungen. Drei Beispiele:

Das Wort Wirtschaft. Alle meinen es zu verstehen und doch meinen alle oder fast alle etwas Unterschiedliches. „Ich gehe in die Wirtschaft“ kann man so oder so interpretieren. Ebenso die Feststellung, dieser oder jener mehr oder minder wichtige Mensch „kommt aus der Wirtschaft“. Im einen Fall wird dem Menschen – ob zu Recht oder Unrecht - kluger Sachverstand unterstellt, im anderen Fall eher der Wunsch nach bzw. die Erfüllung von feuchtfröhlicher Freizeitgestaltung. Wenn sich also ein Mensch mit der Bemerkung, er sei ein „Mann der Wirtschaft“ um ein politisches Amt bewirbt, kann dieses durchaus zweideutig interpretiert werden. Gerade bei Politikern ja gar keine so abwegige Interpretation. Aber selbst wenn wir mal zu seinen Gunsten (?) annehmen, er meint damit, dass er aus einem Unternehmen kommt, dann heißt das auch zugleich immer, aus der Führungsclique der dann so genannten Wirtschaft. Ich zumindest habe noch von keinem Bandarbeiter von Opel gehört, dass er sich als „Mann der Wirtschaft“ bezeichnet. Dass hier jetzt überall die männliche Form dominiert, ist sicherlich kein Zufall. 

Das zweite Wort ist „Verbot“. Davon ist beispielsweise die Straßenverkehrsordnung voll: ständig irgendwelche Abbiege-, Durchfahrt-, Halte-, Handy- und sonstige Verbote. Hört man in die politische Auseinandersetzung, dann haben all diese Verbote die Grünen verbockt, denn sie sind nach Aussagen führender christsozialer (manchmal auch -demokratischer) Politiker die alles beherrschende Verbotspartei. Die würden ja am liebsten sogar Plastiktüten verbieten. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns auf die gleiche Stufe mit einem afrikanischen Entwicklungsland wie Ruanda (und einige andere mehr) auf eine Stufe stellen, die doch tatsächlich so ein Verbot erlassen haben. Nun stammt die Verbotsforderung zwar von der EU, zeigt aber wie grün-alternativ-versifft auch der Apparat schon ist. Spitzenreiter der Begriffsverwirrten ist hier das christdemokratische Nachwuchstalent Philipp Amthor. Der Jüngling (Die Welt) aus Mecklenburg, jüngster CDU-Bundestagsabgeordneter, saß da neulich wie das Fleisch gewordene Abziehbild des sechzigerjahre Pennälers auf der Diskussionscouch von Moderatorin Maischberger, um die Grünen als „kleinkarierte Verbotspartei“ zu brandmarken. Warum und wieso begründete er mit dem Plastiktrinkhalmverbot der – na, wer wohl? - EU. Den Widerspruch, dass er sich vor einiger Zeit in einer Bundestagsrede (er ist im Übrigen ein begnadeter Redner) voll hinter „den Andi“ (Scheuer) gestellt hatte, der ein Verbot (sic!) der Vollverschleierung gefordert hatte, wird er wohl mit der Erklärung, dass es gute und schlechte, also eben schwarze und grüne Verbote gibt, auflösen wollen. 

Und dann gibt es noch das Wort Populismus. Dem hat die FAZ die Krone der Begriffsverwirrung aufgesetzt. Ließ sie noch im Regionalteil einen Wissenschaftler fundiert erklären, welche Ultra-Feinstaub-Partikel aus Verbrennungsmotoren, die durch überhaupt keinen Filter verhindert werden, in unsere Lungen und Blutbahnen gelangen, so durfte herausgehoben auf Seite eins Herr Jasper von Altenbockum kommentieren, dass es sich bei der Forderung nach sauberer Luft um grünen Populismus handle.

Also so einen Populismus lass ich mir gefallen.

Montag, 22. Oktober 2018

Elektromärchen (Oktober 2018)

Es war einmal … - nein, nicht die schwarz-grüne Koalition; das weiß ich ja zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen noch gar nicht. Da sind mir die Leser und -innen dann kurz nach Hefterscheinen weit voraus. Nein, es war einmal der Traum, ein Automobilantrieb zu schaffen, der sauber, leise, ökologisch und sonst noch irgendwie ganz toll und zukunftsträchtig sein sollte. Und so machte sich denn Anfang dieses Jahrtausends ein südafrikanischer und später kalifornischer Zukunftsdenker daran, die Welt mit elektromotorbetrieben Autos zu beglücken. Das war nun eigentlich keine revolutionär neue Idee, war doch der Beginn des automobilen Zeitalters schon durch den Elektroantrieb bestimmt. Der wohl erste elektrisch angetrieben Personenkraftwagen kam 1888 aus einer Coburger Maschinenfabrik. Dieser Antrieb musste sich dann aber dem Herrn Otto und seiner Erfindung des knatternden und stinkenden Verbrennungsmotors geschlagen geben, der mit den Vehikeln der Herren Daimler und Benz dann den Siegeszug um die Welt antrat, und wie so oft nach Siegeszügen, nicht nur das Heil der individuellen Mobilität sondern letztlich auch das Unheil von Luftverschmutzung und CO2 über uns brachte. 

So gab es dann immer mal wieder Versuche, den Elektroantrieb wiederzubeleben, scheiterten aber immer wieder vor allem an der als Stromtank dienenden Batterie – zu schwer, zu teuer, zu wenig effizient. Jener in Südafrika geborene Elon Musk war es dann, der sich mit seinen aus den Anteilen des Bezahldienstes paypal erworbenen Millionen daran machte, die Welt mit seinen Technikideen zu beglücken. Sein elektromotorgetriebenes Luxusgefährt Tesla wurde nun zum Sinnbild zukunftsweisender Automobiltechnologie. Nun, zur Geldverbrennungsmaschine Musk hab ich ja schon in anderen Meckereien hämische Bemerkungen fallen lassen, muss ich jetzt hier nicht wiederholen. Tatsache ist, dass durch seinen „Erfolg“ der batteriebetriebene Elektroantrieb zur Hoffnungstechnologie der Kritiker des Verbrennungsmotors wurde.

Die deutsche Automobilwirtschaft, einer der Träger des deutschen Wirtschaftserfolges, sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, diese Zukunft zu verschlafen und stattdessen weiterhin auf das Verbrennen fossiler Brennstoffe zu vertrauen (lassen wir hier mal diesen ganz Dieselsumpft beiseite). Völlig in den Hintergrund tritt dann bei dieser Auseinandersetzung zwischen altmodisch und umweltschädigend auf der einen und fortschrittlich und sauber angetriebenen Autos auf der anderen Seite, dass zum einen damit das Problem der zu vielen und häufig auch zu großen PKWs vor allen in den Ballungsräumen überhaupt nicht behoben, weil nicht antriebsabhängig ist. Zum anderen ist der batterieabhängige Elektroantrieb ja bekannterweise mitnichten ökologisch einwandfrei und nachhaltig, insbesondere verursacht durch die „schmutzige“ und ressourcenverschwendende Batterieproduktion. Mal ganz abgesehen von der geringen Alltagstauglichkeit aufgrund der geringen Reichweite, fehlender Ladestationen, langer Aufladezeiten etc.

Während die „soziale Verschmutzung“ durch das Auto (Verkehrsbelastung) politisch gelöst werden kann und muss, ist bei der Frage der Antriebstechnologie die immer wieder beschworene Ingenieurskunst gefragt. Die derzeit sauberste Antriebsart ist die Brennstoffzelle – die Verschmelzung von Wasser- und Sauerstoff schafft, so wissen wir alle aus dem Chemieunterricht, lediglich Wasser als Abfallprodukt. Sicher, die Probleme der Herstellung von Wasserstoff und dessen Lagerung sind noch nicht optimal und wirtschaftlich gelöst. Aber allein die häufig wegen Überlastung der Stromnetze abgeschalteten Windkrafträder könnten in diesen Pausen den Strom für die Wasserstofferzeugung in kleinen dezentralen Anlagen liefern. Hier könnte eine ökologisch orientierte grüne Wirtschaftspolitik durch gezielte Förderung Beispielhaftes leisten. Aber – wie schon anfangs gesagt – das Ergebnis der Landtagswahl ist bei Redaktionsschluss noch sechs Tage entfernt.

Donnerstag, 23. August 2018

Vorsicht, die Rentner kommen (August 2018)

War ja schon ein kluger Schachzug unseres grünen Verkehrsministers, den Schülern einschließlich der Berufsschüler ein hessenweit gültiges Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr für grad mal 1 Euro pro Tag zu spendieren. Bringt schon eine gewaltige Erleichterung für die Haushaltskassen der Familien, die sich kein SUV-Schultaxi leisten können (oder wollen). Dieser auch propagandistisch gut durchdachte Coup des grünen Hessenleaders, der ja hinsichtlich Flughafenausbau und Nachtflugverstößen der Billigairlines immer wieder Zielscheibe seiner politischen Gegner war, brachte eben jene nun etwas in Bedrängnis. Da war was Soziales drin, Preissenkung und ne gute Außenwirkung. Und anziehen konnte man sich den Schuh auch nicht, wie es dann etwas später der Frankfurter Oberbürgermeister mit den Kitagebühren machte: vom Land bezahlt und vom Feldmann als eigener Erfolg vermarktet.

Für die Linke (also die Partei) war die Sache dann schnell ganz einfach. 365 Euro im Jahr sind immer noch zu viel, also her mit dem Nulltarif, und den dann auch gleich noch für alle. Eine echt charmante Forderung, die allerdings wie alles bei der Linken unter Finanzierungsvorbehalt gestellt werden musste. Den schwarz-grünen Regenten ließ das allerdings keine Ruhe. Sie wollten besser sein und zeigen, wie man das macht mit dem Nulltarif. Einfach keine Lohn- und Gehaltserhöhung für die öffentlich Bediensteten und vom Ersparten kriegen sie dann hessenweite Freifahrt, ob sie es gebrauchen können oder nicht. Damit war zwar den Nulltariflern etwas der Wind aus den Segeln genommen, nicht aber jenen, die sich nun benachteiligt fühlten. So beschwerte sich denn eine Mitarbeiterin der Uniklinik Frankfurt, die nach Haustarif entlohnt wird und deshalb nicht den Freifahrtschein bekommt, gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass sie nun weiter mit dem umweltschädigenden Auto fahren müsste, weil ihre RMV-Monatskarte von Hanau nach Frankfurt sie monatlich 90 Euro kosten würde. Hallo, dachte sich da der unbedarfte Schreiber dieser Zeilen, der sich aber immerhin an die Grundrechenarten erinnern konnte: wie schafft die gute Frau es für weniger als 90 Euro im Monat mit dem Auto von Hanau zur Uniklinik in Frankfurt zu kommen, wo sie dann ja auch noch, eigenen Angaben zufolge, etliche Euro fürs Parken hinlegen muss. Laut Google Maps sind arbeitstäglich 68 Kilometer zu fahren. Taschenrechner raus: für 20 Arbeitstage macht das 1360 Kilometer, das wären bei (unrealistischen) 7 Litern pro 100 Kilometern 95 Liter Sprit zu je 1,40 Euro (was derzeit auch tiefgestapelt ist), was zu monatlichen Spritkosten – alles andere gar nicht gerechnet – von 133 Euro führt. Die gute Frau bezahlt also Monat für Monat mindestens 43 Euro mehr als mit den Öffentlichen. Etwa aus Trotz weil sie es nicht ganz umsonst kriegt? Und dem Rundschau-Schreiber fällt das vor lauter Solidarität mit ver.di gar nicht auf.

Den Frankfurter OB Peter Feldmann wurmte dieses Hessengeschenk natürlich, da musste er was draufsetzen (mal abgesehen davon, dass jetzt für die Frankfurter Stadtbeschäftigten ähnliches in der Planung ist). Ein spezielles Rentnerticket für Frankfurt war die Lösung: statt 65 Euro nur noch 55. Was nur keiner so richtig mitgekriegt hat: dafür darfst du erst ab 9 Uhr fahren, abends und am Wochenende keinen weiteren Fahrgast mitnehmen und nicht, wie beim „normalen“ Rentnerticket am Wochenende durchs gesamte RMV-Gebiet fahren (von der Benutzung der 1. Klasse mal ganz abgesehen). Eine Leistungskürzung, die weit über die „ersparten“ 10 Euro hinausgeht.

Und da will sich nun der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir natürlich nicht lumpen lassen: her mit dem Rentner-Hessenticket ist jetzt sein Credo. Natürlich auch erst ab 9 Uhr. Und was machen die Minijob-Rentner, die Zeitungsausträger, die Nachtwächter und alle die, die schon vor neun Uhr ihre schmale Rente aufbessern müssen und das Ticket am nötigsten haben? „Ja, willst du denn wirklich, dass die ganzen Rentner morgens mit den Schülern die Bahnen vollstopfen?!“, so sein äußerst durchdachtes Statement zu dieser Frage. Tarek, bitte nochmal nachdenken.

(Anmerkung nach Veröffentlichung: da hat er wirklich nochmal nachgedacht und ein teureres Premiumticket auf den Markt geworfen - 625 statt 365 Euro -, das rund um die Uhr gilt, die Benutzung der 1. Klasse, so vorhanden, erlaubt, ebenso die Wochenendmitnahme von Kind und Kegel)

Mittwoch, 23. Mai 2018

Monopolisierter Wettbewerb (Mai 2018)

Wie war das doch gleich noch damals? Da wurde 1994 der „gelbe Riese“, der Staatskonzern Deutsche Bundespost privatisiert und in drei AGs aufgeteilt: Post, Telekom und Postbank. Das lief unter den Stichworten Deregulierung und Wettbewerb und „raus aus den Fesseln des öffentlichen Dienstrechts“. Der eine und die andere erinnern sich vielleicht noch an den Post“beamten“ genannten Briefträger oder den Schalter“beamten“ genannten Verkäufer von Briefmarken. Auch der mürrische Mann vom Fernmelde“amt“ (es waren zu jener Zeit tatsächlich nur Männer unterwegs) war Staatsbeamter, der Einheitstelefone und versiegelte Faxgeräte an hoheitlich definierte Anschlussdosen montierte. Alles natürlich nur auf Mietbasis, der eigenmächtige Anschluss eines aus den USA mitgebrachten drahtlosen Telefons war höchst illegal. Insofern war die Aufhebung des Fernmeldemonopols aus Verbrauchersicht durchaus eine Errungenschaft marktwirtschaftlicher Entfesselung.

Mit der Deregulierung des Fernmeldesektor – nun etwas moderner Telekommunikation genannt – wurde aber schnell deutlich, dass der Zugang zu den Übertragungswegen dann aber doch wieder reguliert werden musste. Immerhin war ja die ganze Telekommunikationsinfrastruktur in das Eigentum der nun privatisierten Telekom AG übergegangen. Also schuf man eine neue Behörde, die RegTP – Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, aus der dann später die Bundesnetzagentur wurde. Was sich ja auch viel moderner anhörte und außerdem auch noch für Gas, Elektrizität und Eisenbahn zuständig war. Ist ja auch nachvollziehbar, dass der Zugang zu den unterschiedlichen Netzen für die verschiedenen Nutzer irgendwie reguliert werden muss. Allein das Straßennetz unterliegt dabei, weil öffentlicher Besitz, einer eigenen Regulierung, nämlich der Straßenverkehrsordnung. 

Es war dann die EU, die der Telekom aufgab, sich vom Koaxialdrahtbereich – damals zuständig für das Fernsehkablenetz – zu trennen. Damit sollte das Monopol der Telekom aufgehoben und der freie Wettbewerb gefördert werden. Die neuen Besitzer der TV-Kabelnetze teilten dann sehr wettbewerbsorientiert die Republik untereinander auf, so dass statt einem bundesweiten Kabelmonopol nun erst vier, dann drei, dann zwei Bundesland-orientierte Monopole entstanden. Dem Argument, damit hätte man ja immer noch keine freie Wahl des Kabelanbieters, sondern nur den in der eigenen Region tätigen, wurde entgegengehalten, Fernsehen gäbe es ja auch per Internet, Satellit oder terrestrisch. Aha, bei der Telekom wird also geregelt, dass jeder Anbieter deren Netz benutzen kann, insbesondere die berühmte „letzte Meile“, die Monopol-Kabelnetzbetreiber, die ja mittlerweile nicht nur Fernsehen, sondern genauso Internet und Telefonie übertragen, sind von dieser Verpflichtung allerdings befreit.

Und dem Ganzen wird jetzt damit die Krone aufgesetzt, dass in Kürze das Kabelnetz (gemeint ist immer das TV-Kabel) nur noch einem Betreiber gehört, wie Vodafon in ganzseitigen bunten Anzeigen in allen großen Tageszeitungen stolz verkündete. „Endlich ein Unternehmen, das auf Augenhöhe mit dem Ex-Monopolisten Deutsche Telekom agieren kann“, jubelte gar ein Kommentator der Frankfurter Rundschau. Augenhöhe? Bisher ist nur die Telekom gezwungen, ihr Netz für alle Interessenten zu öffnen (zu Recht). Alle anderen Kabelbetreiber, TV-Kabelnetze wie lokale und regionale Glasfasernetze, sind dies nicht. Das zeigt, wie falsch es ist, Transportwege sei es für Energie oder Information zu privatisieren. Beim Transportweg Verkehr tun wir es ja auch (noch?) nicht, und jede(r) kann ihn benutzen.

Montag, 26. März 2018

Fly, fly away (März 2018)

Ich gebe es ja zu: ich fliege für mein Leben gern. Und das auch noch bevorzugt über den großen Teich ins Land des deutschstämmigen Häuslebauers, der sich derzeit vor allem in der Kunst von Fußballtrainern versucht. Nämlich Auswechselspieler von der Bank aufs Spielfeld der großen Weltpolitik zu schicken. Anders aber als die altmodischen Herren Löw und Co., die per Handzeichen und anderen (zuvor abgesprochenen) analogen Gesten dem zu ersetzenden Spieler bedeuten, das Feld zu verlassen und einem von der Bank zu überlassen, führt der amerikanische Trainernovize die Digitalisierung auch ins Auswechselgeschäft ein. Okay, nun ist es in einem herkömmlichen Fußballspiel ziemlich unpraktisch, mit einem Smartphone auf dem Platz rumzulaufen, um die Auswechselwünsche des Trainers per Twitter auch mitzukriegen. Aber mal ehrlich: wer hätte früher an Torlinientechnik oder Videobeweise gedacht. Da ist sicher noch Luft nach oben und irgendein Start-Up wird Twitter sicherlich auch noch auf das Spielfeld bringen.

Aber ich schweife ab. Denn eigentlich wollte ich übers Fliegen schreiben. Also nicht das Fliegen diverser Angestellter aus dem Weißen Haus. Das erinnert ja schon ein bisschen an die Rotationswut grüner Parlamentsfraktionäre der ersten Stunden, als sich die frischgewählten Jungs und Mädels kaum auf den Parlamentssesseln warmgesessen hatten, als sie schon wieder den ungeduldig mit den Hufen scharrenden sogenannten Nachrückern und natürlich auch Nachrückerinnen Platz machen mussten. Nun, die Grünen haben mittlerweile gelernt, dass eine zu häufige Wechselei den Spielfluss doch arg hemmen kann. Und deshalb werden wohl die hessischen Grünen auf ihrem nächsten Landesparteitag teilweise dem Vorbild Chinas folgen und dem einen oder der anderen Kandidatin ein lebenslanges Mandat einräumen. Sozusagen wohlverdiente Stammspieler(innen), die damit auch dem unseligen Jugendwahn der ersten grünen Landtagsfraktionen mit einem Altersschnitt von unter 35 Jahren ein Ende bereiten. Immerhin sind sie schon jetzt bei einem Schnitt von knapp 52 Jahren angekommen. Da ist also auch noch Luft nach oben.

Und schon wieder schweifte (? schwofte, schwiff – keine Ahnung) ich ab von meiner Titelvorgabe. Aber es gibt halt derzeit auch so viele unwichtige Sachen, über die es sich lohnt, Worte zu verlieren. Wie zum Beispiel die guten Ratschläge eines Bad Homburger Stilberaters im weitverbreiteten Presseorgan „Rhein-Main EXTRA TIPP“, der rechtzeitig zum Saisonbeginn die Männer dieser Welt vor der Todsünde zu bewahren versucht, sich mit Socken in Sandalen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Gut, diese Warnung kennen wir langsam. Aber dass ich jetzt in meinen Sneakers keine langen Socken mehr tragen darf, nur noch ganz kurze oder gar keine, das war mir neu.

Ein letzter Versuch, zum Thema zu kommen: Als Flugbegeisterter lasse ich mir den wöchentlichen Newsletter namens „Travel-Dealz“ (fragt mich nicht, woher das „z“ kommt) zuschicken, wo ich bei der Lektüre meine Fantasie zu unglaublich günstigen Preisen auf die Reise schicken kann. So traf ich dann neulich auf das unglaubliche Angebot eines Lufthansa-Fluges nach Los Angeles für 300 Euro. Allerdings von Düsseldorf, kann man einem Frankfurter ja eigentlich nicht zumuten. Aber da hätte der Flug über 700 Euro gekostet. Also habe ich mir das Angebot mal angeschaut: Ich fahre irgendwie nach D’dorf. Steige in den Flieger, der mich zurück nach Frankfurt bringt, dort in den Flieger nach Los Angeles. Und zurück erst nach Frankfurt, dann weiter nach D’dorf. Und dann irgendwie zurück nach Frankfurt. Wer jetzt denkt, da steig ich doch einfach erst in Frankfurt zu, hat die Rechnung ohne Carsten Spohr gemacht: das wäre „no show“ und damit der ganze Flug hinfällig.

Aber immerhin kann ich als Ausgleich einen Euro in die Klimawiedergutmachungskasse der Lufthansa stecken. Und mein nächstes Meckern kommt dann aus dem Flieger.

Mittwoch, 21. Februar 2018

Kasse oder privat? (Februar 2018)

Wer kennt sie nicht, diese Frage der netten Sprechstundenhilfe am Telefon, wenn man als Neukunde um einen Termin nachsucht. Gut, sofern man denn überhaupt am Telefon durchkommt. Wer sich da überrumpeln lässt und das Unwort „Kasse“ oder gar AOBETK in den Hörer haucht, hat damit schon den ersten Kardinalfehler im ärztlichen Versorgungsgeflecht unserer Republik gemacht. Natürlich verkündet man mit stolzer Stimme, dass man privatversichertes Mitglied der deutschen Beamtenschaft sei und somit dann hoffentlich in den Genuss umgehender Terminzusage kommt. Und wenn du dann zum Termin deinen AOK-Mitgliedsausweis auf den Tresen legst und die nun nicht mehr ganz so nette Sprechstundenhilfe dir mit anklagend vorwurfsvollem Blick ein harsches „Sie haben doch behauptet privatversichert zu sein!“ zuschleudert, dann ist Coolness angesagt. „Da muss ein Missverständnis vorliegen, da haben sie mich wohl falsch verstanden.“ Zwar wird sie dich jetzt ganz hinten in die Warteschlange einreihen und dich im Wartezimmer versauern lassen, in der Hoffnung, dass du aufgibst. Aber was sind drei Stunden Rumsitzen mit der Ablenkung durch die Gala und den Erzählungen unterschiedlichster Krankheitsbilder gegen das Warten auf einen Termin in 2 Monaten. Wobei du dich dem Versuch, dich wieder wegzuschicken, natürlich energisch entgegenstellen musst. Alles natürlich vorausgesetzt, der Arzt oder auch die Ärztin hat überhaupt ne Kassenzulassung. Aber wenn du dann nicht gerade einen Nachfolgetermin vom Arzt (oder eben der Ärztin) verordnet bekommst, wird es natürlich schwer, hier nochmal mit der gleichen Geschichte durchzukommen. Aber wofür haben wir die freie Arztwahl.

(Um die Ehre unserer Ärzteschaft wiederherzustellen, muss ich allerdings betonen, dass ich selber in meiner über mehrere Jahrzehnte gesammelten Erfahrung erst einmal (!) mit dieser Eingangsfrage konfrontiert wurde. Und da hab ich natürlich prompt meine BEK-Mitgliedschaft verraten. Habs aber überlebt.)

Nun wollte ja die SPD diesem Spuk ein Ende bereiten und rief die Bürgerversicherung als Mittel der Wahl und als Bedingung für den Eintritt in die minimalgroße Koalition (Mikroko) auf. Dieser mitgliederberuhigendsollende Spuk war dann aber auch ganz schnell vorbei, wie das Ding genau aussehen sollte, war den Protagonisten ja auch gar nicht so klar. Und den Abwärtstrend der stolzen Lasalle-Noske-Ebert-Kühnert-Partei hielt die in den Ring geworfene Überschrift nun auch nicht auf. Stattdessen sollen also die Privathonorare gedeckelt werden. Da dies aber zur Verarmung der deutschen Ärzteschaft führen würde, könnte dies nur durch Erhöhung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse vermieden werden. Sowas nennt man schon mal ein schlüssiges Konzept. Die Wartezeiten für Kassenpatienten werden sich dadurch sicherlich dramatisch reduzieren. 

In meinem durch keinerlei Sachkenntnis getrübten Hirn stellt sich die Lösung ziemlich einfach dar. Zum einen könnte man ja Ärzten, die Kassenpatienten in die Warteschlange nach hinten stellen (was durch Kontrollbuchungen ja herauszufinden wäre), den Entzug der Kassenzulassung androhen und nach mehrmaligen Verstoß auch tatsächlich entziehen. Denn immerhin 70 bis 80 Prozent ihrer Einnahmen erzielt die Ärzteschaft von den Gesetzlichen. Auf das Geschrei freue ich mich jetzt schon. Und zum anderen könnte das öffentliche Beihilferecht so geändert werden, dass der Staat nicht mehr die Hälfte der Arztkosten übernimmt, sondern ihren Bediensteten den Arbeitgeberanteil erstattet, der auch für die gesetzliche Krankenkasse zu zahlen wäre. Das Geschrei wäre nicht minder groß.

Aber wie schrieb ich schon letztens: auf mich hört ja keiner.

Montag, 22. Januar 2018

Ab nach Kassel (Januar 2018)

Mal ehrlich. Wie oft muss ein Lehrer, ja, ja auch die Lehrerin, einer Frankfurter Schule so im Jahr dienstlich nach Kassel oder Eschwege oder meinetwegen auch Limburg fahren? Wohlgemerkt dienstlich. Oder auch eine Rechtsreferendarin am Amtsgericht Bad Hersfeld per Dienstreise nach Darmstadt? Vom Leiter des staatlichen Forstamtes aus Waldeck-Frankenberg ganz zu schweigen, der eigentlich nicht so oft zu forstwirtschaftlichen Dienstbesprechungen in den Odenwald fahren muss.

Und nun aber die gute Nachricht – zumindest für die Lehrer, Forstbeamten, Rechts- und sonstige Referendare, also für alle Landesbediensteten: Ihr dürft seit dem 1. Januar für Umme in ganz Hessen mit den öffentlichen Nahverkehrsbahnen und -bussen nach Belieben und Zeitbudget herumdüsen. Na ja, düsen nicht so sehr, weil IC und ICE nicht im Sonderangebot drin sind. Aber immerhin ab 19 Uhr und am Wochenende unter kostenfreier Mitnahme von ein paar  Kindern und einem Lebenspartner bzw. -partnerin oder überhaupt einer erwachsenen Person (multiplere Lebensformen und damit verbundene Vergünstigungen sind trotz grüner Regierungsbeteiligung noch nicht im Angebot). 

Klar gönne ich jedem Mitmenschen die kostenfreie Nutzung des hessischen Öffentlichen Personennahverkehrs, womit immerhin tendenziell die alte Frankfurter Sponti-Drohung „Nulltarif, Nulltarif, sonst biegen wir die Schienen schief“ Früchte getragen hat (gell, Frau Wissler, so neu zugange seid ihr nicht mit eurem Nulltarif). Aber ein paar Fragezeichen malen sich denn doch schon in den Gesichtern so manchen hessischen ÖPNV-Nutzers, der allein in Frankfurt mal eben 870 Euronen im Jahr (im günstigsten Fall) hinblättern muss, um in einen vergleichbaren Genuss im Frankfurter Tarifgebiet zu kommen. Vom Preis für ein Hessengesamtticket ganz zu schweigen. 

So, und nun fangen wir mal ganz kleinkrämerisch an zu rechnen. 51 Millionen Euro bezahlt das Land an die beteiligten Verkehrsverbünde für insgesamt 145.000 Landesbeschäftigte. Das sind dann etwa 350 Euro pro Jahresticket. Laut RMV, dem größten der beteiligten Verkehrsverbünde, handelt es sich um „ein solidarisch kalkuliertes Ticket“. Was heißt denn nun das? Die viel teureren Tickets für Hessen-Normalbürger sind also „unsolidarisch“ kalkuliert, heißt: überteuert. Oder aber, die Verkehrsverbünde subventionieren den größten Teil des Ticketpreises für die hessischen Landesbeschäftigten. Aber von welchem Geld denn nur? Kann doch nur aus den Ticketerlösen all der doofen Normalzahler kommen. Da das ja kaum zu glauben ist, müssten also 350 Euro für ein Jahresticket kostendeckend sein. Ja, ich weiß, das ist jetzt mehr polemisch als betriebswirtschaftlich gerechnet. Aber irgendwie kommt man da doch sehr dicht an die Realisierung eines 365-Euro-Tickets für alle. So absurd scheint denn ja die Forderung der grünen OB-Kandidatin doch nicht zu sein. Zumal die Hannoveraner Stadtpolitiker selbiges für ihr Städtchen mehrheitlich beschlossen haben (mit – hört, hört – den Stimmen der FDP). 

Und wenn man nun noch bedenkt, dass aufgrund fehlender ÖPNV-Infrastruktur im ländlichen Raum bestimmt mal 10 Prozent der Beschäftigten eh mit dem Auto fahren (müssen) und das Ticket nicht nutzen (können), sind glatt schon mal 5 Millionen zum Fenster rausgeworfen. Die sollten dann vielleicht lieber für mehr Busverbindungen auf dem Land eingesetzt werden. Ich weiß, das war natürlich einkalkuliert. Aber den Anspruch haben auch diese autofahrenden Beschäftigten.

Aber wer hört schon auf mich?