Montag, 18. Dezember 2017

Es lebe das Staatsmonopol (Dezember 2017)

Die Älteren unter uns kennen ihn noch, diesen klassenkämpferischen Kürzelbegriff, der in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts so manches Jungsozialistenherz höher schlagen ließ. Stamokap war das Zauberwort, mit dem die Maske vom freundlich scheinenden Gesicht unserer kapitalistischen Gesellschaft gerissen wurde: der „staatsmonopolistische Kapitalismus“. Also jene Endform des kapitalistischen Systems, dass sich nach der strengen marxistisch-leninistischen Lehre nicht nur monopolistisch organisierte, sondern sich der Konkurrenz mit Hilfe eines willfährigen Staates entledigte und sich so die Herrschaft über die Produktionsmittel, die Menschen und die ganze Welt sicherte. Ja, ich weiß, das ist jetzt etwas vereinfacht wiedergegeben, schließlich wurde die systemkritische Analyse in meterdicken Werken wissenschaftlich, na ja, fast wissenschaftlich aufgearbeitet und in stundenlangen Diskussionen in verräucherten Stuben, WG-Küchen, politischen Versammlungen und auch in Hörsälen bis ins Detail durchgekaut. Und noch heute kokettieren führende Kräfte unserer Gesellschaft damit, auch mal Stamokap gewesen zu sein. Und sie waren das vielleicht auch, die dann zwanzig Jahre später in den Neunzigern begannen, mit den Monopolen aufzuräumen. In Ermangelung von Zugriffsmöglichkeiten auf die privaten Monopole, auf die Konzerne und Banken nahm man sich die öffentlich kontrollierten Staatsmonopole zur Brust. Das nannte man dann Deregulierung, war aber wohl eher ungeregelte Privatisierung.

Und die Erfolge sind ja denn auch frappierend. Während wir früher die Postbeamten hatten, mit Beihilfe- und Pensionsanspruch, haben wir jetzt ein Heer mindestlohngeschützter und ein noch größeres Heer subunternehmender Paketausfahrer konkurrierender Logistikunternehmen. Und statt einem eintönig gelben Paketauto stellen jetzt mindestens fünf unterschiedlich bemalte die Straßen voll, um uns alle mit den online erworbenen Produkten zu beglücken. Dank Deregulierung kann nun auch der Versandhändler Amazon noch ins Logistikgeschäft einsteigen. Amazon ist ja nun wirklich der existierende Beweis dafür, dass Konkurrenz das Geschäft eben nicht belebt. So stärkt dann die Deregulierung staatlicher Monopole die Bildung privater Monopole, die dann aber öffentlicher Kontrolle entzogen sind.

Wen sollte es denn da eigentlich verwundern, wenn die frühere Staatsfluggesellschaft Lufthansa sich nach der deregulierten Privatisierung sich nun auch wie ein Marktunternehmen verhält. Da geht Air Berlin pleite, weil der Sponsor aus den Scheichtümern der Emirate nicht mehr zahlen will. Die Lufthansa kauft einen Teil der Konkursmasse und übernimmt einen Teil der Beschäftigten. Dass den anderen angeboten wird, sich bei der konzerneigenen Billigtochter zu wohl schlechteren Bedingungen neu bewerben können, führt ausgerechnet auch bei den Deregulierungsfans zu Empörung. Die Alternative wäre Arbeitslosigkeit oder der Aufkauf durch eine Billigfluglinie á la Ryanair mit den entsprechenden Arbeitsbedingungen. Der Ausstieg der Lufthansa aus dem Deal mit der Urlaubslinie Nikki hat die Situation der 1000 Beschäftigten ja nun auch nicht gerade verbessert. Und auch das Jammern über mögliche Preissteigerungen im innerdeutschen Luftverkehr nach Wegfall der Konkurrenz ist eigentlich absurd. Innerdeutsche Flüge können nicht teuer genug sein, um mit diesen Unsinn endlich aufzuhören.

Vielleicht wäre ein bisschen Staatsmonopol ja gar nicht so schlecht. Kommt halt immer auch auf den Staat an.

Montag, 20. November 2017

Ich glotz TV (November 2017)

„Dann verhandelt mal schön“ war mein Schlusssatz in der letzten Meckerei. Ups, da hat ja wohl was nicht geklappt beim Verhandeln. Während die bajuwarische Grantelei die Grünen zu immer mehr Zugeständnissen getrieben hatte, so wie sich das aus christsozialer Sicht halt fürs Verhandeln gehört, schwebten die Freidemokraten wohl in irgendwelchen Sphären bar jeden kaufmännischen Denkens, was die Unternehmerpartei ja eigentlich als ihr Markenzeichen sieht. Ohne genau zu benennen, wo sie sich denn beim sondierten Kuhhandel über den Tisch gezogen fühlten, machten sie sich aus dem mitternächtlichen Staub und ließen eine ratlose Republik zurück. Immerhin – der Unterhaltungswert, zumindest für die ständig an irgendwelchen Balkonen rumlungernden Medienvertreter, war doch recht hoch. Wenn es auch mit nächtlichem Frösteln bei heißem Kaffee oder Tee verbunden war.

Damit bin ich dann aber auch schon gleich bei dem eigentlich vorgesehenen Thema, was ich vor einiger Zeit ja schon angekündigt habe: dem Meckern über unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mal ehrlich, ist es wirklich notwendig, zwangsgebührenbezahlt jeweils eigene Teams zu den verschiedensten politischen oder sportlichen Ereignissen rund um den Globus (oder halt vor einen Berliner Balkon) zu schicken? Da gibt’s ein ARD- und ein ZDF-Hauptstadtstudio. Da gibt es ARD- und ZDF-Korrespondenten in Washington und sonstwo auf der Welt. Da werden zu Weltmeisterschaften, Olympiaden, Papstwahlen oder sonstigen Wettbewerben Korrespondenten, Reporter, Kamerateams etc. von beiden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten geschickt, um mir die Vielfalt des Ergebnisses aus unterschiedlichen Blickwinkeln mitzuteilen. Ich gönne denen ja allen ihre Ausflüge nach Rio und so, aber wieso muss ich die bezahlen? Sind die Nachrichten so unterschiedlich in ARD und ZDF? Vielleicht die Gewichtungen, aber dann reichen auch keine zwei Anstalten, um die Vielfalt unterschiedlicher Sichtweisen unters Volk zu bringen. So richtig also will mir nicht einleuchten, dass wir zwei Riesenapparate (eigentlich mehr, wenn die ganzen Landesanstalten mitgezählt werden) brauchen, um den „verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrag, einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen beizutragen“ (so die ARD), erfüllen zu können.

Denn was in unserer schönen Medienwelt schon alles versucht wird, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen, bricht mittlerweile alle Rekorde. Neben dem Zwangsbeitrag für die Öffentlich-Rechtlichen brauchen die Sport- vor allem die Fußballfans ja jetzt einmal Murdochs Sky (ab 20 € im Monat aufwärts), dann noch Eurosport (4,99) und einen eigenartig benannten Streamingdienst namens DAZN (9,99). Und für die Film- und Serienfreaks gibt’s dann noch bei Sky mindestens 10 Euro obendrauf, dazu Netflix für 9,99 (HD muss schon sein), Amazon Prime (7,99), Maxdome (7,99) und TVNow (2,99). Und die brauchen wir ja alle, da die gewünschten Filme bzw. Serien natürlich bei den unterschiedlichen Anbietern zu finden sind. Dazu kommen natürlich noch bei den nicht Satellitenempfängern die Kosten für Kabel oder Entertain. Wenn wir also mal den totalen Medienfreak zusammenrechnen, kommen wir auf mindestens 70 Euro ohne GEZ. Und nun muss ich Obengemeckertes dann ja doch relativieren: dagegen sind die Zwangsgebühren von 17,50 Euro für das umfassende Angebot – selbst bei der bemängelten Doppelbeschickung – doch echt ein Schnäppchen.

Montag, 23. Oktober 2017

Drinnen bleiben (Oktober 2017)

Hab ich’s nicht gesagt? Dieser Wunderknabe der Elektromobilität hat mit seinem Volks-Tesla den Mund wohl zu voll genommen. Mit den ersten 1500 Elektroautos im dritten Quartal wollte Herr Musk die Welt beglücken. Eine angesichts von behaupteten 500.000 Vorbestellungen eh schon bescheidene Zahl. Doch der Hügel kreißte und gebar dann lediglich 220 Mäuslein. Womit die von mir letztens prognostizierten trabbiartigen Wartezeiten wohl deutlich in den Schatten gestellt werden. Autobauen ist denn wohl doch kein Deckchen Häkeln, zumal die Gerüchte nicht verstummen wollen, dass da im kalifornischen Hitech-Laden noch nicht einmal die Produktionstechnik von Henry Fords legendärem T-Modell erreicht wurde, sondern das neue elektrotechnische Wunderwerk zu großen Teilen noch in Handarbeit zusammengebaut wird. Na ja, 33.000 Leute – so viele sollen bei Tesla angestellt sein – wollen ja auch beschäftigt sein, um in drei Monaten 220 Autos zusammen zu bauen. Und von den 33 Tausend hat er dann auch gleich mal aus Enttäuschung 400 bis 700 gefeuert, weil sie einer nicht näher bekannten jährlichen Bewertung zum Opfer gefallen waren. Und zum Schluss wird das Ding dann wohl doch in China zusammen gebaut. Kennt man ja von den Silicon-Valley-Firmen, die die profane Massenproduktion gerne den flinken chinesischen Händen überlassen. Da wird der Trump aber schimpfen.

A propos Bewertung: Nun geht es vor Gericht, dem höchsten sogar, um das Recht zu erstreiten, unabhängig von der Bewertung in der Abinote doch noch zum Halbgott in Weiß aufsteigen zu können. Da geht es ja immerhin um ganz erkleckliche Jahreseinkünfte, die einem vom unmenschlichen numerus clausus verweigert werden. Mittlerweile reicht ja ein Notendurchschnitt im Abiturszeugnis von 1,1 gerade so, um ohne jahrelange Wartezeiten Medizin studieren zu können. Eins Komma eins – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie kann sowas eigentlich zustande kommen? Das hieße ja in allen Fächern, Deutsch, Mathe, Englisch und allen möglichen Leistungskursen über Biologie, Sport bis zum Deckchen Häkeln (da wären wir wieder im Silicon Valley) eine Eins und einmal eine Eins minus. Das kann mir keiner erzählen, dass das auch nur eine/r von Hundert Abiturienten unter realen Bedingungen schaffen kann. Oder es ist halt nix wert, weil die Lehrer ihren Schülern keine Steine auf ihren Karriereweg legen wollen. Oder wir waren früher zu doof, dass wir über eine 2, immerhin die Note „Gut“ gejubelt haben.

So, nun kommt’s. Denn auch ich komme nicht umhin, das eine oder andere Wort über die bundespolitische Farbenlehre zu verlieren. Dabei möge man mir verzeihen, dass ich mich schwerpunktmäßig mit dem hanfblattfarbigen Teil der illustren Gesellschaft befasse, die sich da anschickt, unsere neue Zukunft zu gestalten. Der große Alte der grünen Nachkriegsära stieg herab vom Olymp seiner hochdotierten Beratertätigkeit und ließ seine grünen Nachfahren via Spiegel-Interview wissen, auch ein schwergewichtiges Ministerium zu besetzen, wo doch Finanzen, Innen und Kanzler wohl bei den anderen Farben landen werden. Und er empfiehlt dann tatsächlich das Außenministerium, sicherlich zur Freude von Cem Özdemir, obwohl (oder weil?) er weiß, dass dieser Posten der Person wohl dienen mag, zur Gestaltung grüner Politik aber nur wenig beiträgt. Joschka selbst war es doch, der verkündete, es gebe keine grüne oder rote Außenpolitik, sondern nur eine deutsche. Nun gut, man kann damit Bundespräsident oder reich oder vergessen werden (wer war grade noch Herr Gabriel?). Die unsägliche und umweltfeindliche Verkehrspolitik eines Herrn Dobrindt kann damit aber nicht korrigiert werden. 

Dann verhandelt mal schön.

Montag, 21. August 2017

Zahlenspiele (August 2017)

Es werden einfach nicht mehr. Seit über einem Jahr geistert dieser Single durch die Werbung, der sich alle 11 Minuten verliebt, weil er jetzt paarschippt. Bei so einer begeisternden Botschaft sollte man doch meinen, dass nun ganz viel mit paarschippen anfangen, die es vorher auf die altmodische Weise mit dem Verlieben versucht haben. Und nun sind es so ungefähr 4,5 Millionen bei diesem Verein, aber die Verliebungsfrequenz ist immer noch wie vor einem Jahr. Da muss man sich das ja mal genauer ansehen. Also verlieben kann man sich ja ziemlich schnell und oft, sofern man davon abstrahiert, dass das Objekt der Verliebtheit ja eigentlich das Gefühl erwidern sollte. Sonst bringt es ja keinen Spaß. Aber die Parship-Werbung sagt ja explizit, dass sich alle 11 Minuten ein SINGLE verliebt, im übersetzten Sprachgebrauch also ein Einzelner bzw. eine Einzelne. Und dann sind es eigentlich verdammt wenige. Wenn ich aber, was ja bei so einer Verliebung nicht ganz abwegig ist, auch den Gegenpart mit einbeziehe, dann muss man diese 11 Minuten ja eigentlich verdoppeln. Also ein Single in 11 und logischerweise dann zwei Singles, also das Verliebungspaar, in 22 Minuten. Dann haben wir also nicht ganz 24.000 Menschen, die sich pro Jahr über die Verliebungsagentur finden. Das ist sage und schreibe bei den angenommenen 4,5 Millionen Mitgliedern eine Erfolgsquote von eben über einem halben Prozent. Nun gut, immerhin mehr als man derzeit auf einem Tagesgeldkonto bekommt, aber ein bisschen mehr haben sich die Parship-Singles doch bestimmt versprochen. Vor allem, und da spreche ich ja sicherlich nicht nur aus eigener Erfahrung, geht das mit dem Verlieben zwar häufig sehr einfach (vor allem beim einseitigen, also dem gesingelten), aber was dann draus wird, steht ja auf einem ganz anderen Blatt. Ich habe ja die dumpfe Vermutung, die allerdings durch keinerlei empirische Untersuchung gestützt ist, dass die Verliebungserfolgsquote auf dem Friedberger Platz am Freitagabend deutlich höher ist. Denn bei den durchschnittlich 2000 Leuten entspräche die Paarshipquote gerade mal 10 Leutchen, die sich da finden müssten. Das ist doch bestimmt locker zu schaffen. Vielleicht sollte man den Verantwortlichen der Stadtregierung, die ja immerhin den ganzen Müll- und Lärmärger managen müssen, mal nahelegen, ähnliche Vermittlungsgebühren beim Betreten des Platzes zu verlangen, wie dies bei den Partnerbörsen üblich ist.

Aber nicht nur bei den Verliebungsagenturen zeigen sich interessante Ergebnisse, wenn man öffentlich kundgetanen Zahlen mal versucht auf den Grund zu gehen. So verkündet der Retter der Automobilgesellschaft, der Herr über das Elektromobilzeitalter, dass sein Volkstesla, das Modell 3, nun schon 500.000 Vorbestellungen habe. Die ersten 30 sind gerade ausgeliefert, weitere 100 kommen im August und 1500 im September. Anvisiert ist eine Wochenproduktion von 5000 Exemplaren, das wären also zur Abarbeitung der derzeitigen Vorbestellungen 100 Wochen. Da ja aber bestimmt die Zahl der Bestellungen angesichts des attraktiven Preises von ca. 31.000 Dollar rasant ansteigen wird, werden wir wohl bald trabbiartige Wartezeiten erleben. Ob das bis zum verkündeten Ende des Verbrennungsmotors, zumindest wenn es nach den Franzosen, Engländern, Norwegern und Grünen geht, so hinhaut? Da müssen der Herr Musk und die anderen Elektroautobauer aber noch kräftig Deckchen häkeln.

Zahlen bitte!

Montag, 24. Juli 2017

Meckern auf tiefem Niveau (Juli 2017)

Eigentlich gibt es ja viel zu meckern in diesem vergangenen Monat Juli. Klar, da war dieses Eventwochenende in Hamburg, wo zwanzig wichtige Menschen mit ein paar weniger wichtigen, begleitet von ein paar tausend Sherpas, ihre Wichtigkeit auch mal so richtig zelebrieren wollten. Was die eigentlich gemacht haben, blieb der weniger interessierten Öffentlichkeit allerdings weitgehend verborgen, was einem lange vorbereitetem Räuber-und-Gendarm-Spiel geschuldet war. Vermummte dunkel gewandete Menschen rannten durch Hamburger Gassen hintereinander her, manchmal aufeinander zu, bewarfen sich mit Steinen, Flaschen, bösen Worten, schlugen mit Stöcken, spritzten mit verflüssigtem Pfeffer. Die einen meinten, mit dem Abfackeln am Straßenrand geparkter Autos es dem kapitalistischen Schweinesystem mal so richtig gezeigt zu haben, dafür verhauten dann die anderen irgendwelche herumstehenden Leute, weil sie die Abfackler nicht zu fassen gekriegt haben. Aber über diese Geschichten ist ja schon aus verschiedenen Perspektiven schwer gemeckert worden, da erspar ich mir das. Obwohl, eine kurze Randbemerkung kann ich mir nicht verkneifen: wie da der empörungspolitische Sprecher der CDU Bosbach seinen theatralischen Abgang aus Maischbergers Talkshow inszenierte, war schon bemerkenswert. Sicher, Jutta Dittfurth kann schon manchmal nerven, aber in dieser Sendung war sie ja gar nicht richtig zu radikalökologischer Höchstform aufgelaufen, so dass der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich Herr Bosbach schon vor der Sendung die Dramaturgie seines Abgangs ausgedacht hat. Hätte er der Moderatorin aber ruhig vorher verraten können, dann hätte die nicht so überhastet unprofessionell reagiert, indem sie Frau Dittfurth gleich auch noch rausschmeißen wollte. Seis drum hat sich ja später dafür auch entschuldigt.

Nein, wirklich meckern muss ich jetzt mal über jenen Menschen von dieser Pro7Sat1irgendwas Sendergruppe, der via Sonntags FAZ die Erkenntnis verbreitete, seine Sender erfüllten gegenüber der jüngeren Fernsehgeneration den Bildungsauftrag, den das Bundesverfassungsgericht eigentlich den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugeschrieben hatte. Und da das bildungshungrige Fernsehvolk der unter dreißig Jährigen ausführlichst und bestens von den Privaten bedient wird, ist denn auch die Forderung, diesen jugendaffinen Bildungssendern einen Teil der Fernsehzwangsgebühren zukommen zu lassen, in den Augen des Pro7-Chefs nur allzu gerechtfertigt. Na ja, mal abgesehen davon, dass die von ihm beweissichernd angeführte Zielgruppe sich informationsmäßig zunehmend ins Internet verlagert hat und mittlerweile Fatzebook für ein seriöses Nachrichtenmedium hält, ist die Erfüllung des Bildungsauftrags durch ProSiebenSateinsRTLusw. doch zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Dass bei der auf Pro7 um 18 Uhr ausgestrahlten zehnminütigen Newstime der Fernseher nicht ausgeschaltet ist, hat ja womöglich was mit den beliebten Serien Bigbang-Theory und den Simpsons zu tun, die den Nachrichtblock umrahmen. Und ob die werktäglich ausgestrahlten Dokusoaps, also die gespielten Berichte aus dem Alltag von Kliniken, Polizeistreifen, Gerichtsvollziehern, Hartz4-Familien, Bauern mit und ohne Frau den Bildungshunger tatsächlich befriedigen können, kann man durchaus als fragwürdig bezeichnen.

Und die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen, sich zusätzlich zu den Gebühren auch noch am Werbekuchen zu bedienen, ist zumindest inhaltlich nicht ganz nachvollziehbar: wo sonst, wenn nicht in ARDZDF kann denn für Medikamente gegen Blasenschwäche geworben werden? Doch nicht im Jugendnachrichtensender Pro7. Und an der eigenen Gebührenschraube basteln die Privaten ja dank DVB-T2 auch schon erfolgreich.

Und das nächste Mal mecker ich dann auch wieder über die Öffentlich-Rechtlichen.

Dienstag, 20. Juni 2017

Die Schere im Kopf (Juni 2017)

Da hat sie mich nun erwischt, die große Frage, was darf man schreiben und was sollte man tunlichst lassen. Ausgelöst wurde sie durch einen Rundbrief, der mich von meinen grünen Freunden erreichte. In ihm wurde an den Beginn des Fastenmonats Ramadan erinnert und allen Mitfastenden eine friedliche und segensreiche Zeit gewünscht. Eine nette, freundliche Geste den Anhängern einer Religion gegenüber, die mittlerweile einen nicht unbedeutenden Teil unserer kulturell und religiös vielfältigen Stadtgesellschaft ausmachen. Aber so richtige Freude über diese große Geste wollte bei mir nicht aufkommen. Nicht, weil ich mit Religion seit einigen Jahrzehnten nicht mehr viel am Hut habe. Da soll jeder und jede nach seiner und ihrer Fasson selig werden. Und so hatte es mich eigentlich nie gestört, dass in besagten Rundbriefen weder auf ein gesegnetes Weihnachtsfest oder ein fröhliches Ostern (oder was man noch so sagt zu den diversen religiösen Anlässen) hingewiesen wurde. Da gibt’s ja auch noch das jüdische Hanukkah und sicherlich etliche mir noch weniger geläufige Fest- und Feiertage, die es zu beglückwünschen gilt. Auch der evangelische Kirchentag, der an jenem Wochenende stattgefunden hatte und den evangelische Christen sicherlich viel bedeutete, fand trotz Lutherjahr keine Erwähnung. Warum also der besondere Hinweis auf die muslimische Fastenzeit? War doch die christliche Fastenzeit den Rundbriefschreibern keine Zeile wert. Im Gegenteil, den aufopferungsvollen Kampf gegen das Tanzverbot am Karfreitag haben sich die Grünen, insbesondere die tanzfreudigen Junggrünen in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf die Fahnen geschrieben. Und da war sie dann, die Schere: darf ich über diese einseitige Behandlung von Religionen und die mir dadurch etwas anbiedernd erscheinende Haltung gegenüber dem Ramadan bei meinen Grünen meckern? Wir können die Religionen als Privatsache ganz draußen vor lassen und uns allenthalben an den durch sie veranlassten Ferien und freien Tagen erfreuen. Oder wir setzen uns kritisch mit ihnen auseinander. Siehe das Karfreitagstanzverbot oder aber auch ein Fastenverbot für Schulkinder. Religionsfreiheit ist untrennbar verbunden mit der Freiheit der Religionskritik. Hier tut sich aber gerade der Islam in seinen vorherrschenden Ausprägungen immer noch äußerst schwer. Da muss auch eine zur Schau gestellte Islamfreundlichkeit hinterfragt werden dürfen, mal so ganz ohne Schere im Kopf bzw. der PC-Tastatur.

Eine andere Art unhinterfragter Selbstzensur macht sich derzeit breit: ganz lapidar wird in der Berichterstattung über irrsinnige Terroranschläge dann verkündet, dass der oder die Täter erschossen wurden. Ja richtig, waren ja auch Menschen der übelsten Sorte, die zuvor Unschuldige getötet hatten. Wirklich richtig? Traut man sich eigentlich zu sagen, dass hier die Todesstrafe durch die Hintertür bzw. den Lauf einer Polizeipistole eingeführt wird. Kritisches Hinterfragen, ob denn der Todesschuss notwendig war, statt den Täter durch gezielte Schüsse kampf- und bewegungsunfähig zu machen, führte ja schon mal zu einem vorwurfsvollen Aufschrei des veröffentlichten gesunden Volksempfindens. Die Tat muss nur scheußlich genug sein, dann wird die ganze humanistisch geprägte Rechtsstaatlichkeit mir nichts dir nichts über Bord geworfen, um sich zwei oder drei Artikel später über Hinrichtungen in den USA zu mokieren. Und in den TV-Krimis wird das Feld ja schon vorbereitet, dass der finale „Rettungs“- also Todesschuss immer mehr zum Standard wird, um einen Täter auszuschalten. Hier bekommt der unselige Spruch rechter Schreiberlinge „man wird ja wohl nochmal sagen dürfen“, um dann rassistische und menschenverachtende Hasstiraden loszuwerden, endlich mal einen positiven Sinn: ja, man muss sagen dürfen, dass das Verbot der Todesstrafe auch für grausame und unmenschliche Terroristen gilt.