Donnerstag, 2. Juni 2022

Neulich in ...

der Zeitung:

Es sind ja manchmal die kleinen Randnotizen in unseren Tageszeitungen, die einem die Welt so richtig nahebringen - oder aber zur Verwirrung beitragen. "Frau an den Po gefasst", so die grelle Überschrift, und dass nun nach diesem wohl sexuell motivierten Übergriff die Ermittlungsgruppe Großauheim nach Zeugen dieses - so scheint es - ungeheuerlichen Vorfalls sucht. Was aber offenbarte der Artikel? Nicht der weibliche Po war Ziel eines sexuell ausgehungerten Bösewichts, sondern das aus der Gesäßtasche herausragende, sicherlich deutlich sichtbare Handy. So wenig eine aufreizende Kleidung Legitimation für einen Po- oder sonstigen Grapscher bedeutet, so sehr kann das aus einer Po-Tasche hervorschauende iPhone, wie es tagtäglich bei unzähligen meist jüngeren Frauen zu beobachten ist, durchaus eine Aufforderung zur Inobhutnahme für Langfinger bedeuten. 


der Hessischen Landesbahn (HLB):

Dank des Seniorentickets, dass aufgrund der Notwendigkeit, auch vor 9 Uhr fahren zu müssen, zur Comfort-Edition aufgewertet wurde, ist es möglich, die am Zugkopf befindliche 1. Klasse zu benutzen. Der um die Mittagszeit ca. 10 Minuten vor der (manchmal pünktlich) geplanten Abfahrt nicht nur in der 1. Klasse menschenleere Zug (das war vor dem 9-Euro-Ticket) ließ den Fahrgast kurz die obligatorische Maske vom Mund wegziehen, um eine Notiz ins Handy zu sprechen. Kaum das erste Wort gesprochen, öffnete sich die Tür der Fahrerkabine und der Triebwagenlenker, der wohl zuvor per Videokamera den schändlichen Verstoß gegen die ÖPNV-Maskenpflicht beobachtet hatte, schoss heraus, um den Reisenden mit einem "Maske auf!" wieder auf die Bahn der Rechtschaffenheit zu bringen.

Nur, dass er selbst das alles natürlich ohne Maske vollbrachte.


Freitag, 1. April 2022

Homo homini lupus (April 2022)

„Nun sind sicher beide Sätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen, und: Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht. Dort nähert man sich durch Gerechtigkeit, Liebe und alle Tugenden des Friedens der Ähnlichkeit mit Gott; hier müssen selbst die Guten bei der Verdorbenheit der Schlechten ihres Schutzes wegen die kriegerischen Tugenden, die Gewalt und die List, d. h. die Raubsucht der wilden Tiere, zu Hilfe nehmen.“ (Thomas Hobbes, Lehre vom Bürger).

Eigentlich befassen sich meine Meckereien ja zumeist mit dem im ersten Satz idealisierten menschlichen Miteinander, das in ihrer Suche nach Gottähnlichkeit doch immer wieder absurde, abenteuerliche und auch abschreckende Brüche erfährt. So wollte ich denn auch diesmal wieder über so nette Absonderlichkeiten schreiben wie jene stolze Wissenschaftlerin, die uns allabendlich kurz vor der analogen Primetime von ihrer 25 Jahre zurückliegenden Entdeckung berichtet – dem Wunder der Darmbakterien, dem sie fortan ihre ganze Kraft widmet und mit ihrem Wundermittel omnibiotic den Kassenschlager in deutschen Apotheken gelandet haben will. Oder jene beiden begnadet untalentierten jungen Frauen – die Verwendung der Bezeichnung Schauspielerinnen verbietet der Respekt vor der seriösen Berufsgattung -, die in eindringlicher Weise die künstliche Verdunkelung der eigenen Hautfarbe preisen, so ganz ohne Urlaub, aber mit viel Allzweckchemie Hyaluron.

Wobei sich da schon die nächste Frage aufdrängt: ist die künstlich oder auch an südlichen Meeresstränden natürlich erzwungene Hautbräunung nicht vielleicht doch eine kulturelle Aneignung mit ähnlich rassistischem Hintergrund wie die Dreadlocks eines blütenweißen Bandmitglieds, das nun seine gesangliche Unterstützung des ach so zukunftsorientierten Hannoverschen Ablegers von fridays for future nur noch mit geschnittener Kurzhaarfrisur kundtun darf.

War vor fünfzig Jahren in der Abgrenzung zu den Herrenvolkideen unserer Väter und natürlich auch Mütter, die mit zum Teil absurden Beschreibungen äußerlicher Unterschiedsmerkmale ihre arische Vorherrschaft zu begründen suchten, gerade die Aneignung von Sitten, Gebräuchen, Äußerlichkeiten von anderen Kulturen die Triebfeder internationaler Solidaritätsbewegungen. Also ein eher integratives Element und somit das Gegenteil von der zuvor herrschenden strikten Diversität.

 Über das alles und noch viel mehr wollte ich eigentlich meckern. Über den inflationären Gebrauch der Begriffe Rassismus und Faschismus, der seinen widerlichen Höhepunkt in der Verwendung des „Judensterns“ bei den Querdenkern fand. Getoppt jetzt nur noch von jenem Wolf in Menschengestalt, der dem zweiten Satz der anfangs zitierten Hobbesschen Aussage das Futter liefert. Und so wird dann angesichts dieser dramatischen Entwicklung in der Mitte Europas ein Meckern über gendergerechtes Sprechen, wie ich es mir diesmal eigentlich vorgenommen hatte, doch wirklich zweitrangig. Denn gendern heißt nun mal wieder, dass hauptsächlich junge Männer verheizt und Frauen und Kinder zur Flucht gezwungen werden.

Doch Ede oder besser Wladi, dem großen böse Wolf, der in der Mythologie von Grimms Märchen bis zum Comic arme unschuldige Schweinchen, Zicklein und auch Großmütter zu verspeisen sucht, sei gesagt, dass es in all diesen Geschichten nicht wirklich gut für ihn ausging. Aber vielleicht ist das doch alles nur ein Märchen.