Montag, 20. Mai 2019

Armes Maintal (Mai 2019)

Nein, nicht weil der Schreiber dieser Zeilen, wie die eine oder andere Leserin (er natürlich auch) vielleicht vermuten mag, seit Anfang dieses Jahres seinen Lebensmittelpunkt in diese beschauliche Vielvölker Kunstgemeinde vor den Toren Frankfurts verlegt hat. Dazu war die Zeit dann doch zu kurz, um das Städtchen meckermäßig aufzumischen. Das aber schafft gerade eine kleines oft rundes, manchmal quadratisches Stückchen saugfähiger Pappe, das gemeinhin in Restaurants, vor allem aber in Kneipen dazu dient, an Trinkgläsern herunterlaufende Flüssigkeiten aufzusaugen. Das passiert natürlich vor allem bei einem frisch gezapften Pils. Und da haben wir den Salat. Denn nun wird aus einem Stückchen Pappe, einem Getränkeuntersetzer ein Bierdeckel. Eigentlich ja noch nichts Schlimmes, bietet er doch auch im genässten Zustand Fläche für so manche Botschaften. Mal lustig, mal bierernst (sic!), mal für Notizen und mehr oder minder lustige Fragestellungen in Ina’s Nacht. 

Den damit verbundenen Aufmerksamkeitswert wollte sich nun auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Maintal zunutze machen. Angeregt durch eine Aktion des Vereins Orient-Netzwerk in Freiburg startete sie die Aktion „Islam auf Hessisch“, ließ Bierfilze mit drängenden Fragen zum Islam in hessischer Mundart bedrucken und in den örtlichen Wirtshäusern verteilen. Da wurde dann der gemeine Maintaler Biertrinker mit der Frage konfrontiert, ob denn Fußballer im Ramadan gar nichts essen dürfen oder ob es Weihnachten auch im Islam gibt. Diese und andere tiefsinnige Fragen sollten ihm den Islam näherbringen, der ihm ja doch immer noch etwas fremd ist. Dass er dann die Antwort auf die Fragen nicht in hessischer Mundart sondern als QR-Code auf der Rückseite des Deckels findet, erscheint angesichts der Verfassung, in der unser Bierfreund den Deckel vielleicht umdreht, eine etwas zu optimistische Herausforderung. 

Aber es war nicht dieses etwas verunglückte digitale Integrationsbemühen, das einen Sturm der Entrüstung über die zwischen Frankfurt und Hanau gelegenen Gemeinde hinwegbrausen ließ. Es war der aufmerksame Vorsitzende des Ausländerbeirats, der zwischen den an maurische Ornamente angelehnten Aufdrucken einen Bembel mit dazu gehörigem Rautenglas entdeckte. Das war nun des Guten zu viel! „Bier“deckel ging vielleicht noch, da steht ja auch schon mal ein Glas Wasser drauf. Aber dann noch die Anspielung auf Äppelwoi. Das setzte der Verherrlichung des Alkohols denn nun doch die Krone auf. Denn wie wir uns denken können, steht der muslimische Teil der örtlichen Ausländervertretung dem Alkohol doch eher ablehnend gegenüber. Aber mal ehrlich: welcher Muslim sollte im Wirtshaus bei einem Glas Apfelwein oder so über den Ramadan aufgeklärt werden. Die Zielgruppe sollte ja wohl eher der bierdeutsche Besucher sein, der immer schon mal wissen wollte, „woher komme denn all die Muslime, die wo hier in Hessen leewe“. Zugegeben, der Unterhaltungswert und vor allem der Aufklärungswert ist angesichts bier- oder apfelweinvernebelter Gehirne doch eher begrenzt. Daraus allerdings eine islamfeindliche Verbindung von Alkohol und Religion als gewollten Tabubruch zu konstruieren, wirkt dann doch etwas übertrieben – sozusagen der Sturm im Bierglas. Und dass in der Frage „De Mohammed – was war dann des eichendlisch für aaner?“ eine Verunglimpfung des islamischen Religionsstifters gesehen werden kann, weil auf (nicht in!) seinem Namen ein Bierglas abgestellt wird, zeigt, wie notwendig eine – manchmal auch spaßige – Integrationsarbeit noch ist.

Wer sagt da noch, in Maintal ist nix los?

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