Sonntag, 24. Oktober 2021

Idealerweise Glatteis (Oktober 2021)

Von Generationenaufgaben, von der Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen ist allenthalben die Rede, wenn es um die Klimapolitik geht. Was eigentlich ist denn nun eine Generation. Üblicherweise nimmt man den Zeitraum von der eigenen Geburt bis zur Geburt des ersten Nachkommens (der ersten Nachkommin?). Dies wurde bisher mit durchschnittlich 25 Jahren angesetzt. Realistischerweise müsste man diesen Ansatz angesichts doch zunehmend späterer Erstgeburtsvorgänge wohl für die zukünftigen Generationen etwas erhöhen, sagen wir auf 30 Jahre. Rückblickend haben also bei Zugrundelegung der bisherigen 25 Jahren seit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung etwa 80 Generationen das Licht der Welt erblickt bzw. sie dann auch wieder mehr oder minder freiwillig verlassen. Was diese doch überschaubare Zahl an Generationen in dieser uns doch schon ziemlich lang vorkommenden Zeitspanne so alles erreicht hat, ist schon phänomenal: die vom Christentum ja eigentlich strikt verbotene Tötung des und der Nächsten wurde in einer unvorstellbaren Weise perfektioniert; der Mann im Mond wurde Realität; in Tontafeln eingeritzte oder – je nach Zivilisationsgrad – auf Papyrus gemalte Schriftzeichen wurden durch Emojis genannte Bildchen auf unseren Handybildschirmen abgelöst. Das kannten die Ägypter schon – also nicht das Handy.

Schauen wir jetzt in die Zukunft, spielt angesichts der Entsorgungsproblematik einer dieser Geistesblitze der letzten 80 Generationen, nämlich des Atommülls, mal ganz locker die Zahl von einer Million Jahre eine Rolle, auf Grundlage der oben aktualisierten Generationenlänge also mal locker mehr als 33.000 Generationen. Da kann einem ja angesichts der oben erwähnten Entwicklungen für unsere Zukunft ganz schön schummerig werden, was sich da wohl alles tun wird, während unter den Füßen der Menschheit (so sie es bis dahin denn geschafft hat) in irgendwelchen Salzstöcken der strahlende Müll von gerade mal 4 Generationen brodelt.

Und was hat das Ganze jetzt mit dem Glatteis zu tun, auf das ich mich jetzt begeben will? Nun, es sind gerade mal 0,3 Generationen – nämlich 9 Jahre -, bis idealerweise der Ausstieg aus der Kohleverbrennung erfolgt sein soll. Bis dahin muss also, vor allem wenn der fossile Energieträger Gas auch dran glauben muss, der Umstieg auf regenerative Energie gestemmt werden. Angesichts des Ausbautempos der vergangenen 0,3 Generationen kaum vorstellbar, auch wenn die christdemokratischen Zauderer nun nicht mehr tonangebend sind. Wenn also die fossilen Engergieträger hauptverantwortlich für die CO2-Emissionen sind, ist das Argument, wenigstens für diese 0,3 Generationen die Restlaufzeit der noch im Betrieb befindlichen AKWs zu verlängern, nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Grad der Gefährdung bleibt angesichts der Zukunftsbelastung von weiteren 33 Tausend Generationen nahezu gleich. Auch kann eine solche Laufzeitverlängerung an strikte Bedingungen geknüpft werden: jeder Cent aus dem Gewinn der Atomverstromung geht in den Ausbau regenerativer Energie und die AKW-Betreiber müssen bis zum Laufzeitende 2030 die mindestens gleiche Strommenge über regenerative Energie erzeugen, wie ihr AKW produziert hat. Keine wirklich neue und originelle Idee, aber ziemlich grünes Glatteis.

Das hat natürlich alles nichts mit den Spinnereien der Herren Macron und Microsoft zu, mit ihren Taschen-AKWs erneut in diese Technologie einzusteigen. Ersterer will seine auch auf Atomkraft basierende Fantasie des France first verwirklichen, der andere lebt halt immer noch in seiner Techno-Machbarkeits-Fantasiewelt, in der es kaum einen Unterschied gibt zwischen MS-DOS, Windows und einem Mini-AKW.

Montag, 27. September 2021

War da was? (September 2021)

Nun ist es also passiert: die Schirmherrin der deutschen, wenn nicht gar europäischen Raute ist mehr oder weniger abgewählt worden. Stimmt natürlich nicht ganz, sie hat ja gar nicht mehr kandidiert und konnte von daher gar nicht abgewählt werden. Und stimmt natürlich auch insofern nicht, als nun die Raute-Plagiatoren um jenen Sessel im Kanzleramt streiten, der die wohlfeile Politik des „Schaun wir mal“ als neuerliche Staatsräson symbolisiert. Und dennoch stehen wir vor einer Zeitenwende, zumindest einer völligen Neuorientierung politischer Versprechungskultur. Sozusagen in leichter, aber doch entscheidender Abwandlung des Ton-Steine-Scherben-Songs: „Alles verändert sich, wenn du nichts änderst“. Die andere Interpretationsart ist die des sprichwörtlichen „wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“. 

Was also passiert jetzt mit uns? Wenn man den neuen Raute-Herren glauben kann, dann wird ja jetzt alles anders, vor allem besser. Entlastung der hart arbeitenden Mittelschicht (wie immer die definiert sein mag) – da sind sich alle Protagonisten des nun beginnenden Bäumchen-wechsel-dich-Spiels einig. Hilfe für die da unten und Steuersenkungen für die da oben – da scheiden sich zwar die Wahlkampfgeister, kriegen aber sicherlich einen allseits befriedigende Formelkompromiss hin, der die vielbeschworene bürgerliche Mitte wieder in den seligen Ruhezustand des Weiter-So versetzen wird. Jene bürgerliche Mitte, die laut Umfragebekenntnis den Kampf gegen den Klimawandel als das vordringliche Ziel der Politik ansieht, bei der Aussicht auf 16 Cent mehr fürs Benzin und 130 km/h auf der Autobahn aber schon den grün-sozialistisch Unterdrückungsstaat kommen sieht. Da lieben wir doch die Neu-Rautianer mit ihrer klaren Ansage zum Kampf gegen den Klimawandel: „Nur keine Bange, ist zwar alles nicht sehr schön, aber wir kriegen das hin, ohne dass ihr euch einschränken müsst“.

So können wir uns also nun darauf freuen, dass wir bis 2040 nahezu klimaneutral mit Elektro-SUVs die Erderwärmung gestoppt haben, die Eisberge hören auf zu schmelzen und das alles ohne teures Benzin (braucht dann ja niemand mehr), überall mühlen die Windräder, die Dächer sind übersät mit Photovoltaikmodulen, Kohlekraftwerke sind endgültig Vergangenheit, alle Kumpels arbeiten nun in den Reinräumen digital aufgemotzter Batteriefabriken, die dank Lindnerschen Erfindergeistes ganz ohne Lithium auskommen. Die soziale Schere ist dann auch dank Olaf Scholzens Einsatz fast völlig geschlossen und das alles, ohne den Gutverdienenden und Wohlhabenden unnötigerweise an den Geldbeutel zu gehen. 

Der Aufbruch in die schöne neue Rentnerwelt steht uns bevor, hat doch die Generation 60+ dafür gesorgt, dass sie ihre (zeitlich limitierte) Zukunft so ganz ohne Einschränkungen und irgendwelche Verbote ihres Alltagshandelns mit dem neuen Herrn im Kanzleramt gestalten kann. Als hätte es den Klimastreik mit hunderttausenden jungen (aber zugegebenermaßen auch vielen älteren) Menschen zwei Tage vor der Wahl nicht gegeben, als wäre uns die Zukunft unserer Kinder und vor allem Enkelkinder zugunsten gegenwärtiger Wohlfühlnischen völlig egal, ist den Herren von gestern die Verantwortung für morgen übertragen worden. Ob die in ihren Erwartungen arg gedämpften Grünen da etwas gegen die Scholz/Laschet-Lindner Combo grundsätzlich durchsetzen können, ist mehr als fraglich. Grüne Kosmetik hilft uns nicht weiter. Statt Fridays dann vielleicht doch Mondays-to-Fridays for Future.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Montag, 8. Februar 2021

Schwarzmalerei (Februar 2021)

Mittlerweile ist es ja Standard – state of the art, wie der bewanderte Weltenbummler es ja gemeinhin ausdrückt -, dass bei Mietverträgen, Kreditbeantragungen und ähnlichen finanzrelevanten Aktionen ein Nachweis über die Solidität des Antragstellers beziehungsweise der Antragstellerin verlangt wird. Das ist sicherlich im durchaus berechtigten Interesse von Vermietern und Kreditgebern, um zumindest eine Grundversicherung zu haben, an die Miete zu kommen oder die Rückzahlung des geliehenen Geldes sicher zu stellen. Aber nun stelle man sich mal vor, ich lege meinem potentiellen Vermieter eine Gehaltsbescheinigung vor, in der alle Bereiche, die auf die Höhe meines monatlichen Einkommens schließen lassen, mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht worden sind. Mein Hinweis, hier handle es sich um schützenswerte Daten eines nicht-öffentlichen Vertrages zwischen meinem Arbeitgeber und mir, einem Betriebsgeheimnis sozusagen, dieser Hinweis also wird meinen potentiellen Vermieter kaum beeindrucken und er wird das bewohnbare Objekt meiner Begierde flugs dem/der nächsten in der Warteschlange anbieten. Ähnliches wird mir sicherlich bei dem Kreditinstitut passieren, dem ich einen in relevanten Passagen geschwärzten Kaufvertrag über mein neues Häuschen vorlege. Oder bei einem Konsumentenkredit die Kreditauskunft mit dem Hinweis auf die Vertraulichkeit meiner jeweiligen Geschäftsbeziehungen verweigere. Das Häuschen oder die Wohnzimmereinrichtung kann ich mir aller Wahrscheinlichkeit nach abschminken.

Das findet ihr, liebe Leser, nun überhaupt nicht erwähnenswert, weil es ja schon eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass derjenige, der einem Geld oder Gut zur Verfügung stellt, das nun wirklich nicht ins Schwarze hinein machen muss. Aber halt. Da gibt es einen großen, wenn nicht gar riesigen Bereich, in dem diese Schwarzmalerei state of the art (s.o.) ist. Nehmen wie das letzte aktuelle Ereignis: Da wird von der Europäischen Union mit einem Pharmakonzern ein Vertrag über die Lieferung von Impfdosen gegen diese unselige Corona-Belästigung abgeschlossen, der Zahlungen in Milliardenhöhe vorsieht. Und nun kommt es zu Unstimmigkeiten über die Auslegung der Erfüllung dieses Vertrages. Den aber kennen nur Eingeweihte, die in Vertretung der europäischen Steuerzahler den Vertrag ausgehandelt hatten. Nach einigem Gezacker ist der Schuldner, also die Pharmafirma, die Geld bekommen, aber den Impfstoff noch nicht geliefert hat, bereit, den Vertrag dem Gläubiger, also dem europäischen Steuerzahler, zu zeigen, auf das die zahlende Öffentlichkeit sich ein Bild davon machen kann, was mit ihrem Geld denn da so passiert. Und was passiert? Überall da, wo es ans Eingemachte geht, Zahlungshöhe, Lieferfristen u.ä. sind statt Informationen schwarze Balken zu sehen. Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis wird uns als Begründung geliefert. Der Preis einer Ware, die vereinbarte Liefermenge und die zugesagten Lieferfristen sind also ein Betriebsgeheimnis? Dass zwischen zwei privaten Vertragspartnern eine solche Vertraulichkeit gegenüber der Öffentlichkeit besteht, ist ja durchaus nachvollziehbar. Wenn aber einer der Vertragspartner nun die steuerzahlende Öffentlichkeit selbst und damit der Finanzier ist, sollten ja eigentlich ganz andere Spielregeln gelten. Wer mit mir, dir und uns allen einen Vertrag abschließt, wo er ne ganz Latte Geld bekommt, muss mir, dir und allen anderen den Vertrag auf Nachfrage auch ungeschwärzt zeigen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, also die Rezeptur des Impfstoffs, die Herstellungstechnologie, die Kalkulationsgrundlage u.ä., sind gemeinhin nicht Gegenstand eines Liefervertrages. Wer mit uns, vertreten durch beauftragte staatliche Verhandler, einen Vertrag abschließt, muss uns diesen bei Bedarf (den nicht der Lieferant bestimmt) ungeschwärzt zur Verfügung stellen. Und das betrifft alle öffentlichen (sic!) Verträge, vom Kauf von Schullaptops bis zum BER oder der gescheiterten (aber nicht weniger kostspieligen) Ausländermaut. Zumindest aber sollte eine Schwärzung immer gerichtsüberprüfbar sein.

Aber auf mich hört ja keiner.

Anmerkung
Und nun kommts: im obenstehenden Text ist in großer Zahl das generische Maskulinum verwendet worden. Bei allen Leserinnen, die sich deshalb von diesem Text nicht angesprochen fühlen, bitte ich um Verzeihung. Aber ich hasse Doppelpunkte mitten im Wort. Genauso wie die neuerdings eingeführte abgehackte, gendermäßig aber überkorrekte Sprechweise in Rundfunk und Fernsehen.