Mittwoch, 21. Februar 2018

Kasse oder privat? (Februar 2018)

Wer kennt sie nicht, diese Frage der netten Sprechstundenhilfe am Telefon, wenn man als Neukunde um einen Termin nachsucht. Gut, sofern man denn überhaupt am Telefon durchkommt. Wer sich da überrumpeln lässt und das Unwort „Kasse“ oder gar AOBETK in den Hörer haucht, hat damit schon den ersten Kardinalfehler im ärztlichen Versorgungsgeflecht unserer Republik gemacht. Natürlich verkündet man mit stolzer Stimme, dass man privatversichertes Mitglied der deutschen Beamtenschaft sei und somit dann hoffentlich in den Genuss umgehender Terminzusage kommt. Und wenn du dann zum Termin deinen AOK-Mitgliedsausweis auf den Tresen legst und die nun nicht mehr ganz so nette Sprechstundenhilfe dir mit anklagend vorwurfsvollem Blick ein harsches „Sie haben doch behauptet privatversichert zu sein!“ zuschleudert, dann ist Coolness angesagt. „Da muss ein Missverständnis vorliegen, da haben sie mich wohl falsch verstanden.“ Zwar wird sie dich jetzt ganz hinten in die Warteschlange einreihen und dich im Wartezimmer versauern lassen, in der Hoffnung, dass du aufgibst. Aber was sind drei Stunden Rumsitzen mit der Ablenkung durch die Gala und den Erzählungen unterschiedlichster Krankheitsbilder gegen das Warten auf einen Termin in 2 Monaten. Wobei du dich dem Versuch, dich wieder wegzuschicken, natürlich energisch entgegenstellen musst. Alles natürlich vorausgesetzt, der Arzt oder auch die Ärztin hat überhaupt ne Kassenzulassung. Aber wenn du dann nicht gerade einen Nachfolgetermin vom Arzt (oder eben der Ärztin) verordnet bekommst, wird es natürlich schwer, hier nochmal mit der gleichen Geschichte durchzukommen. Aber wofür haben wir die freie Arztwahl.

(Um die Ehre unserer Ärzteschaft wiederherzustellen, muss ich allerdings betonen, dass ich selber in meiner über mehrere Jahrzehnte gesammelten Erfahrung erst einmal (!) mit dieser Eingangsfrage konfrontiert wurde. Und da hab ich natürlich prompt meine BEK-Mitgliedschaft verraten. Habs aber überlebt.)

Nun wollte ja die SPD diesem Spuk ein Ende bereiten und rief die Bürgerversicherung als Mittel der Wahl und als Bedingung für den Eintritt in die minimalgroße Koalition (Mikroko) auf. Dieser mitgliederberuhigendsollende Spuk war dann aber auch ganz schnell vorbei, wie das Ding genau aussehen sollte, war den Protagonisten ja auch gar nicht so klar. Und den Abwärtstrend der stolzen Lasalle-Noske-Ebert-Kühnert-Partei hielt die in den Ring geworfene Überschrift nun auch nicht auf. Stattdessen sollen also die Privathonorare gedeckelt werden. Da dies aber zur Verarmung der deutschen Ärzteschaft führen würde, könnte dies nur durch Erhöhung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse vermieden werden. Sowas nennt man schon mal ein schlüssiges Konzept. Die Wartezeiten für Kassenpatienten werden sich dadurch sicherlich dramatisch reduzieren. 

In meinem durch keinerlei Sachkenntnis getrübten Hirn stellt sich die Lösung ziemlich einfach dar. Zum einen könnte man ja Ärzten, die Kassenpatienten in die Warteschlange nach hinten stellen (was durch Kontrollbuchungen ja herauszufinden wäre), den Entzug der Kassenzulassung androhen und nach mehrmaligen Verstoß auch tatsächlich entziehen. Denn immerhin 70 bis 80 Prozent ihrer Einnahmen erzielt die Ärzteschaft von den Gesetzlichen. Auf das Geschrei freue ich mich jetzt schon. Und zum anderen könnte das öffentliche Beihilferecht so geändert werden, dass der Staat nicht mehr die Hälfte der Arztkosten übernimmt, sondern ihren Bediensteten den Arbeitgeberanteil erstattet, der auch für die gesetzliche Krankenkasse zu zahlen wäre. Das Geschrei wäre nicht minder groß.

Aber wie schrieb ich schon letztens: auf mich hört ja keiner.

Montag, 22. Januar 2018

Ab nach Kassel (Januar 2018)

Mal ehrlich. Wie oft muss ein Lehrer, ja, ja auch die Lehrerin, einer Frankfurter Schule so im Jahr dienstlich nach Kassel oder Eschwege oder meinetwegen auch Limburg fahren? Wohlgemerkt dienstlich. Oder auch eine Rechtsreferendarin am Amtsgericht Bad Hersfeld per Dienstreise nach Darmstadt? Vom Leiter des staatlichen Forstamtes aus Waldeck-Frankenberg ganz zu schweigen, der eigentlich nicht so oft zu forstwirtschaftlichen Dienstbesprechungen in den Odenwald fahren muss.

Und nun aber die gute Nachricht – zumindest für die Lehrer, Forstbeamten, Rechts- und sonstige Referendare, also für alle Landesbediensteten: Ihr dürft seit dem 1. Januar für Umme in ganz Hessen mit den öffentlichen Nahverkehrsbahnen und -bussen nach Belieben und Zeitbudget herumdüsen. Na ja, düsen nicht so sehr, weil IC und ICE nicht im Sonderangebot drin sind. Aber immerhin ab 19 Uhr und am Wochenende unter kostenfreier Mitnahme von ein paar  Kindern und einem Lebenspartner bzw. -partnerin oder überhaupt einer erwachsenen Person (multiplere Lebensformen und damit verbundene Vergünstigungen sind trotz grüner Regierungsbeteiligung noch nicht im Angebot). 

Klar gönne ich jedem Mitmenschen die kostenfreie Nutzung des hessischen Öffentlichen Personennahverkehrs, womit immerhin tendenziell die alte Frankfurter Sponti-Drohung „Nulltarif, Nulltarif, sonst biegen wir die Schienen schief“ Früchte getragen hat (gell, Frau Wissler, so neu zugange seid ihr nicht mit eurem Nulltarif). Aber ein paar Fragezeichen malen sich denn doch schon in den Gesichtern so manchen hessischen ÖPNV-Nutzers, der allein in Frankfurt mal eben 870 Euronen im Jahr (im günstigsten Fall) hinblättern muss, um in einen vergleichbaren Genuss im Frankfurter Tarifgebiet zu kommen. Vom Preis für ein Hessengesamtticket ganz zu schweigen. 

So, und nun fangen wir mal ganz kleinkrämerisch an zu rechnen. 51 Millionen Euro bezahlt das Land an die beteiligten Verkehrsverbünde für insgesamt 145.000 Landesbeschäftigte. Das sind dann etwa 350 Euro pro Jahresticket. Laut RMV, dem größten der beteiligten Verkehrsverbünde, handelt es sich um „ein solidarisch kalkuliertes Ticket“. Was heißt denn nun das? Die viel teureren Tickets für Hessen-Normalbürger sind also „unsolidarisch“ kalkuliert, heißt: überteuert. Oder aber, die Verkehrsverbünde subventionieren den größten Teil des Ticketpreises für die hessischen Landesbeschäftigten. Aber von welchem Geld denn nur? Kann doch nur aus den Ticketerlösen all der doofen Normalzahler kommen. Da das ja kaum zu glauben ist, müssten also 350 Euro für ein Jahresticket kostendeckend sein. Ja, ich weiß, das ist jetzt mehr polemisch als betriebswirtschaftlich gerechnet. Aber irgendwie kommt man da doch sehr dicht an die Realisierung eines 365-Euro-Tickets für alle. So absurd scheint denn ja die Forderung der grünen OB-Kandidatin doch nicht zu sein. Zumal die Hannoveraner Stadtpolitiker selbiges für ihr Städtchen mehrheitlich beschlossen haben (mit – hört, hört – den Stimmen der FDP). 

Und wenn man nun noch bedenkt, dass aufgrund fehlender ÖPNV-Infrastruktur im ländlichen Raum bestimmt mal 10 Prozent der Beschäftigten eh mit dem Auto fahren (müssen) und das Ticket nicht nutzen (können), sind glatt schon mal 5 Millionen zum Fenster rausgeworfen. Die sollten dann vielleicht lieber für mehr Busverbindungen auf dem Land eingesetzt werden. Ich weiß, das war natürlich einkalkuliert. Aber den Anspruch haben auch diese autofahrenden Beschäftigten.

Aber wer hört schon auf mich?

Montag, 18. Dezember 2017

Es lebe das Staatsmonopol (Dezember 2017)

Die Älteren unter uns kennen ihn noch, diesen klassenkämpferischen Kürzelbegriff, der in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts so manches Jungsozialistenherz höher schlagen ließ. Stamokap war das Zauberwort, mit dem die Maske vom freundlich scheinenden Gesicht unserer kapitalistischen Gesellschaft gerissen wurde: der „staatsmonopolistische Kapitalismus“. Also jene Endform des kapitalistischen Systems, dass sich nach der strengen marxistisch-leninistischen Lehre nicht nur monopolistisch organisierte, sondern sich der Konkurrenz mit Hilfe eines willfährigen Staates entledigte und sich so die Herrschaft über die Produktionsmittel, die Menschen und die ganze Welt sicherte. Ja, ich weiß, das ist jetzt etwas vereinfacht wiedergegeben, schließlich wurde die systemkritische Analyse in meterdicken Werken wissenschaftlich, na ja, fast wissenschaftlich aufgearbeitet und in stundenlangen Diskussionen in verräucherten Stuben, WG-Küchen, politischen Versammlungen und auch in Hörsälen bis ins Detail durchgekaut. Und noch heute kokettieren führende Kräfte unserer Gesellschaft damit, auch mal Stamokap gewesen zu sein. Und sie waren das vielleicht auch, die dann zwanzig Jahre später in den Neunzigern begannen, mit den Monopolen aufzuräumen. In Ermangelung von Zugriffsmöglichkeiten auf die privaten Monopole, auf die Konzerne und Banken nahm man sich die öffentlich kontrollierten Staatsmonopole zur Brust. Das nannte man dann Deregulierung, war aber wohl eher ungeregelte Privatisierung.

Und die Erfolge sind ja denn auch frappierend. Während wir früher die Postbeamten hatten, mit Beihilfe- und Pensionsanspruch, haben wir jetzt ein Heer mindestlohngeschützter und ein noch größeres Heer subunternehmender Paketausfahrer konkurrierender Logistikunternehmen. Und statt einem eintönig gelben Paketauto stellen jetzt mindestens fünf unterschiedlich bemalte die Straßen voll, um uns alle mit den online erworbenen Produkten zu beglücken. Dank Deregulierung kann nun auch der Versandhändler Amazon noch ins Logistikgeschäft einsteigen. Amazon ist ja nun wirklich der existierende Beweis dafür, dass Konkurrenz das Geschäft eben nicht belebt. So stärkt dann die Deregulierung staatlicher Monopole die Bildung privater Monopole, die dann aber öffentlicher Kontrolle entzogen sind.

Wen sollte es denn da eigentlich verwundern, wenn die frühere Staatsfluggesellschaft Lufthansa sich nach der deregulierten Privatisierung sich nun auch wie ein Marktunternehmen verhält. Da geht Air Berlin pleite, weil der Sponsor aus den Scheichtümern der Emirate nicht mehr zahlen will. Die Lufthansa kauft einen Teil der Konkursmasse und übernimmt einen Teil der Beschäftigten. Dass den anderen angeboten wird, sich bei der konzerneigenen Billigtochter zu wohl schlechteren Bedingungen neu bewerben können, führt ausgerechnet auch bei den Deregulierungsfans zu Empörung. Die Alternative wäre Arbeitslosigkeit oder der Aufkauf durch eine Billigfluglinie á la Ryanair mit den entsprechenden Arbeitsbedingungen. Der Ausstieg der Lufthansa aus dem Deal mit der Urlaubslinie Nikki hat die Situation der 1000 Beschäftigten ja nun auch nicht gerade verbessert. Und auch das Jammern über mögliche Preissteigerungen im innerdeutschen Luftverkehr nach Wegfall der Konkurrenz ist eigentlich absurd. Innerdeutsche Flüge können nicht teuer genug sein, um mit diesen Unsinn endlich aufzuhören.

Vielleicht wäre ein bisschen Staatsmonopol ja gar nicht so schlecht. Kommt halt immer auch auf den Staat an.

Montag, 20. November 2017

Ich glotz TV (November 2017)

„Dann verhandelt mal schön“ war mein Schlusssatz in der letzten Meckerei. Ups, da hat ja wohl was nicht geklappt beim Verhandeln. Während die bajuwarische Grantelei die Grünen zu immer mehr Zugeständnissen getrieben hatte, so wie sich das aus christsozialer Sicht halt fürs Verhandeln gehört, schwebten die Freidemokraten wohl in irgendwelchen Sphären bar jeden kaufmännischen Denkens, was die Unternehmerpartei ja eigentlich als ihr Markenzeichen sieht. Ohne genau zu benennen, wo sie sich denn beim sondierten Kuhhandel über den Tisch gezogen fühlten, machten sie sich aus dem mitternächtlichen Staub und ließen eine ratlose Republik zurück. Immerhin – der Unterhaltungswert, zumindest für die ständig an irgendwelchen Balkonen rumlungernden Medienvertreter, war doch recht hoch. Wenn es auch mit nächtlichem Frösteln bei heißem Kaffee oder Tee verbunden war.

Damit bin ich dann aber auch schon gleich bei dem eigentlich vorgesehenen Thema, was ich vor einiger Zeit ja schon angekündigt habe: dem Meckern über unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mal ehrlich, ist es wirklich notwendig, zwangsgebührenbezahlt jeweils eigene Teams zu den verschiedensten politischen oder sportlichen Ereignissen rund um den Globus (oder halt vor einen Berliner Balkon) zu schicken? Da gibt’s ein ARD- und ein ZDF-Hauptstadtstudio. Da gibt es ARD- und ZDF-Korrespondenten in Washington und sonstwo auf der Welt. Da werden zu Weltmeisterschaften, Olympiaden, Papstwahlen oder sonstigen Wettbewerben Korrespondenten, Reporter, Kamerateams etc. von beiden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten geschickt, um mir die Vielfalt des Ergebnisses aus unterschiedlichen Blickwinkeln mitzuteilen. Ich gönne denen ja allen ihre Ausflüge nach Rio und so, aber wieso muss ich die bezahlen? Sind die Nachrichten so unterschiedlich in ARD und ZDF? Vielleicht die Gewichtungen, aber dann reichen auch keine zwei Anstalten, um die Vielfalt unterschiedlicher Sichtweisen unters Volk zu bringen. So richtig also will mir nicht einleuchten, dass wir zwei Riesenapparate (eigentlich mehr, wenn die ganzen Landesanstalten mitgezählt werden) brauchen, um den „verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrag, einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen beizutragen“ (so die ARD), erfüllen zu können.

Denn was in unserer schönen Medienwelt schon alles versucht wird, um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen, bricht mittlerweile alle Rekorde. Neben dem Zwangsbeitrag für die Öffentlich-Rechtlichen brauchen die Sport- vor allem die Fußballfans ja jetzt einmal Murdochs Sky (ab 20 € im Monat aufwärts), dann noch Eurosport (4,99) und einen eigenartig benannten Streamingdienst namens DAZN (9,99). Und für die Film- und Serienfreaks gibt’s dann noch bei Sky mindestens 10 Euro obendrauf, dazu Netflix für 9,99 (HD muss schon sein), Amazon Prime (7,99), Maxdome (7,99) und TVNow (2,99). Und die brauchen wir ja alle, da die gewünschten Filme bzw. Serien natürlich bei den unterschiedlichen Anbietern zu finden sind. Dazu kommen natürlich noch bei den nicht Satellitenempfängern die Kosten für Kabel oder Entertain. Wenn wir also mal den totalen Medienfreak zusammenrechnen, kommen wir auf mindestens 70 Euro ohne GEZ. Und nun muss ich Obengemeckertes dann ja doch relativieren: dagegen sind die Zwangsgebühren von 17,50 Euro für das umfassende Angebot – selbst bei der bemängelten Doppelbeschickung – doch echt ein Schnäppchen.

Montag, 23. Oktober 2017

Drinnen bleiben (Oktober 2017)

Hab ich’s nicht gesagt? Dieser Wunderknabe der Elektromobilität hat mit seinem Volks-Tesla den Mund wohl zu voll genommen. Mit den ersten 1500 Elektroautos im dritten Quartal wollte Herr Musk die Welt beglücken. Eine angesichts von behaupteten 500.000 Vorbestellungen eh schon bescheidene Zahl. Doch der Hügel kreißte und gebar dann lediglich 220 Mäuslein. Womit die von mir letztens prognostizierten trabbiartigen Wartezeiten wohl deutlich in den Schatten gestellt werden. Autobauen ist denn wohl doch kein Deckchen Häkeln, zumal die Gerüchte nicht verstummen wollen, dass da im kalifornischen Hitech-Laden noch nicht einmal die Produktionstechnik von Henry Fords legendärem T-Modell erreicht wurde, sondern das neue elektrotechnische Wunderwerk zu großen Teilen noch in Handarbeit zusammengebaut wird. Na ja, 33.000 Leute – so viele sollen bei Tesla angestellt sein – wollen ja auch beschäftigt sein, um in drei Monaten 220 Autos zusammen zu bauen. Und von den 33 Tausend hat er dann auch gleich mal aus Enttäuschung 400 bis 700 gefeuert, weil sie einer nicht näher bekannten jährlichen Bewertung zum Opfer gefallen waren. Und zum Schluss wird das Ding dann wohl doch in China zusammen gebaut. Kennt man ja von den Silicon-Valley-Firmen, die die profane Massenproduktion gerne den flinken chinesischen Händen überlassen. Da wird der Trump aber schimpfen.

A propos Bewertung: Nun geht es vor Gericht, dem höchsten sogar, um das Recht zu erstreiten, unabhängig von der Bewertung in der Abinote doch noch zum Halbgott in Weiß aufsteigen zu können. Da geht es ja immerhin um ganz erkleckliche Jahreseinkünfte, die einem vom unmenschlichen numerus clausus verweigert werden. Mittlerweile reicht ja ein Notendurchschnitt im Abiturszeugnis von 1,1 gerade so, um ohne jahrelange Wartezeiten Medizin studieren zu können. Eins Komma eins – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie kann sowas eigentlich zustande kommen? Das hieße ja in allen Fächern, Deutsch, Mathe, Englisch und allen möglichen Leistungskursen über Biologie, Sport bis zum Deckchen Häkeln (da wären wir wieder im Silicon Valley) eine Eins und einmal eine Eins minus. Das kann mir keiner erzählen, dass das auch nur eine/r von Hundert Abiturienten unter realen Bedingungen schaffen kann. Oder es ist halt nix wert, weil die Lehrer ihren Schülern keine Steine auf ihren Karriereweg legen wollen. Oder wir waren früher zu doof, dass wir über eine 2, immerhin die Note „Gut“ gejubelt haben.

So, nun kommt’s. Denn auch ich komme nicht umhin, das eine oder andere Wort über die bundespolitische Farbenlehre zu verlieren. Dabei möge man mir verzeihen, dass ich mich schwerpunktmäßig mit dem hanfblattfarbigen Teil der illustren Gesellschaft befasse, die sich da anschickt, unsere neue Zukunft zu gestalten. Der große Alte der grünen Nachkriegsära stieg herab vom Olymp seiner hochdotierten Beratertätigkeit und ließ seine grünen Nachfahren via Spiegel-Interview wissen, auch ein schwergewichtiges Ministerium zu besetzen, wo doch Finanzen, Innen und Kanzler wohl bei den anderen Farben landen werden. Und er empfiehlt dann tatsächlich das Außenministerium, sicherlich zur Freude von Cem Özdemir, obwohl (oder weil?) er weiß, dass dieser Posten der Person wohl dienen mag, zur Gestaltung grüner Politik aber nur wenig beiträgt. Joschka selbst war es doch, der verkündete, es gebe keine grüne oder rote Außenpolitik, sondern nur eine deutsche. Nun gut, man kann damit Bundespräsident oder reich oder vergessen werden (wer war grade noch Herr Gabriel?). Die unsägliche und umweltfeindliche Verkehrspolitik eines Herrn Dobrindt kann damit aber nicht korrigiert werden. 

Dann verhandelt mal schön.

Montag, 21. August 2017

Zahlenspiele (August 2017)

Es werden einfach nicht mehr. Seit über einem Jahr geistert dieser Single durch die Werbung, der sich alle 11 Minuten verliebt, weil er jetzt paarschippt. Bei so einer begeisternden Botschaft sollte man doch meinen, dass nun ganz viel mit paarschippen anfangen, die es vorher auf die altmodische Weise mit dem Verlieben versucht haben. Und nun sind es so ungefähr 4,5 Millionen bei diesem Verein, aber die Verliebungsfrequenz ist immer noch wie vor einem Jahr. Da muss man sich das ja mal genauer ansehen. Also verlieben kann man sich ja ziemlich schnell und oft, sofern man davon abstrahiert, dass das Objekt der Verliebtheit ja eigentlich das Gefühl erwidern sollte. Sonst bringt es ja keinen Spaß. Aber die Parship-Werbung sagt ja explizit, dass sich alle 11 Minuten ein SINGLE verliebt, im übersetzten Sprachgebrauch also ein Einzelner bzw. eine Einzelne. Und dann sind es eigentlich verdammt wenige. Wenn ich aber, was ja bei so einer Verliebung nicht ganz abwegig ist, auch den Gegenpart mit einbeziehe, dann muss man diese 11 Minuten ja eigentlich verdoppeln. Also ein Single in 11 und logischerweise dann zwei Singles, also das Verliebungspaar, in 22 Minuten. Dann haben wir also nicht ganz 24.000 Menschen, die sich pro Jahr über die Verliebungsagentur finden. Das ist sage und schreibe bei den angenommenen 4,5 Millionen Mitgliedern eine Erfolgsquote von eben über einem halben Prozent. Nun gut, immerhin mehr als man derzeit auf einem Tagesgeldkonto bekommt, aber ein bisschen mehr haben sich die Parship-Singles doch bestimmt versprochen. Vor allem, und da spreche ich ja sicherlich nicht nur aus eigener Erfahrung, geht das mit dem Verlieben zwar häufig sehr einfach (vor allem beim einseitigen, also dem gesingelten), aber was dann draus wird, steht ja auf einem ganz anderen Blatt. Ich habe ja die dumpfe Vermutung, die allerdings durch keinerlei empirische Untersuchung gestützt ist, dass die Verliebungserfolgsquote auf dem Friedberger Platz am Freitagabend deutlich höher ist. Denn bei den durchschnittlich 2000 Leuten entspräche die Paarshipquote gerade mal 10 Leutchen, die sich da finden müssten. Das ist doch bestimmt locker zu schaffen. Vielleicht sollte man den Verantwortlichen der Stadtregierung, die ja immerhin den ganzen Müll- und Lärmärger managen müssen, mal nahelegen, ähnliche Vermittlungsgebühren beim Betreten des Platzes zu verlangen, wie dies bei den Partnerbörsen üblich ist.

Aber nicht nur bei den Verliebungsagenturen zeigen sich interessante Ergebnisse, wenn man öffentlich kundgetanen Zahlen mal versucht auf den Grund zu gehen. So verkündet der Retter der Automobilgesellschaft, der Herr über das Elektromobilzeitalter, dass sein Volkstesla, das Modell 3, nun schon 500.000 Vorbestellungen habe. Die ersten 30 sind gerade ausgeliefert, weitere 100 kommen im August und 1500 im September. Anvisiert ist eine Wochenproduktion von 5000 Exemplaren, das wären also zur Abarbeitung der derzeitigen Vorbestellungen 100 Wochen. Da ja aber bestimmt die Zahl der Bestellungen angesichts des attraktiven Preises von ca. 31.000 Dollar rasant ansteigen wird, werden wir wohl bald trabbiartige Wartezeiten erleben. Ob das bis zum verkündeten Ende des Verbrennungsmotors, zumindest wenn es nach den Franzosen, Engländern, Norwegern und Grünen geht, so hinhaut? Da müssen der Herr Musk und die anderen Elektroautobauer aber noch kräftig Deckchen häkeln.

Zahlen bitte!

Montag, 24. Juli 2017

Meckern auf tiefem Niveau (Juli 2017)

Eigentlich gibt es ja viel zu meckern in diesem vergangenen Monat Juli. Klar, da war dieses Eventwochenende in Hamburg, wo zwanzig wichtige Menschen mit ein paar weniger wichtigen, begleitet von ein paar tausend Sherpas, ihre Wichtigkeit auch mal so richtig zelebrieren wollten. Was die eigentlich gemacht haben, blieb der weniger interessierten Öffentlichkeit allerdings weitgehend verborgen, was einem lange vorbereitetem Räuber-und-Gendarm-Spiel geschuldet war. Vermummte dunkel gewandete Menschen rannten durch Hamburger Gassen hintereinander her, manchmal aufeinander zu, bewarfen sich mit Steinen, Flaschen, bösen Worten, schlugen mit Stöcken, spritzten mit verflüssigtem Pfeffer. Die einen meinten, mit dem Abfackeln am Straßenrand geparkter Autos es dem kapitalistischen Schweinesystem mal so richtig gezeigt zu haben, dafür verhauten dann die anderen irgendwelche herumstehenden Leute, weil sie die Abfackler nicht zu fassen gekriegt haben. Aber über diese Geschichten ist ja schon aus verschiedenen Perspektiven schwer gemeckert worden, da erspar ich mir das. Obwohl, eine kurze Randbemerkung kann ich mir nicht verkneifen: wie da der empörungspolitische Sprecher der CDU Bosbach seinen theatralischen Abgang aus Maischbergers Talkshow inszenierte, war schon bemerkenswert. Sicher, Jutta Dittfurth kann schon manchmal nerven, aber in dieser Sendung war sie ja gar nicht richtig zu radikalökologischer Höchstform aufgelaufen, so dass der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich Herr Bosbach schon vor der Sendung die Dramaturgie seines Abgangs ausgedacht hat. Hätte er der Moderatorin aber ruhig vorher verraten können, dann hätte die nicht so überhastet unprofessionell reagiert, indem sie Frau Dittfurth gleich auch noch rausschmeißen wollte. Seis drum hat sich ja später dafür auch entschuldigt.

Nein, wirklich meckern muss ich jetzt mal über jenen Menschen von dieser Pro7Sat1irgendwas Sendergruppe, der via Sonntags FAZ die Erkenntnis verbreitete, seine Sender erfüllten gegenüber der jüngeren Fernsehgeneration den Bildungsauftrag, den das Bundesverfassungsgericht eigentlich den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugeschrieben hatte. Und da das bildungshungrige Fernsehvolk der unter dreißig Jährigen ausführlichst und bestens von den Privaten bedient wird, ist denn auch die Forderung, diesen jugendaffinen Bildungssendern einen Teil der Fernsehzwangsgebühren zukommen zu lassen, in den Augen des Pro7-Chefs nur allzu gerechtfertigt. Na ja, mal abgesehen davon, dass die von ihm beweissichernd angeführte Zielgruppe sich informationsmäßig zunehmend ins Internet verlagert hat und mittlerweile Fatzebook für ein seriöses Nachrichtenmedium hält, ist die Erfüllung des Bildungsauftrags durch ProSiebenSateinsRTLusw. doch zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Dass bei der auf Pro7 um 18 Uhr ausgestrahlten zehnminütigen Newstime der Fernseher nicht ausgeschaltet ist, hat ja womöglich was mit den beliebten Serien Bigbang-Theory und den Simpsons zu tun, die den Nachrichtblock umrahmen. Und ob die werktäglich ausgestrahlten Dokusoaps, also die gespielten Berichte aus dem Alltag von Kliniken, Polizeistreifen, Gerichtsvollziehern, Hartz4-Familien, Bauern mit und ohne Frau den Bildungshunger tatsächlich befriedigen können, kann man durchaus als fragwürdig bezeichnen.

Und die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen, sich zusätzlich zu den Gebühren auch noch am Werbekuchen zu bedienen, ist zumindest inhaltlich nicht ganz nachvollziehbar: wo sonst, wenn nicht in ARDZDF kann denn für Medikamente gegen Blasenschwäche geworben werden? Doch nicht im Jugendnachrichtensender Pro7. Und an der eigenen Gebührenschraube basteln die Privaten ja dank DVB-T2 auch schon erfolgreich.

Und das nächste Mal mecker ich dann auch wieder über die Öffentlich-Rechtlichen.