Dienstag, 23. Juli 2019

Die zehn Verbote (Juli 2019)

Wenn so ein aufrechter Freidemokrat und manchmal auch ein angstgetriebener christlich sozialer Demokrat den ihnen umfragemäßig davongelaufenen beziehungsweise dicht auf den Fersen hockenden Grünen mal wieder so richtig eins auswischen will, dann bricht das Wörtchen „Verbotspartei“ aus seinem (und manchmal auch ihrem) Munde. Denn mit nichts, so scheinen diese etwas schlichten Gemüter zu denke, kann man dem Wahlvolk einen größeren Horrorschauer den Rücken hinabjagen lassen als mit dieser Wortkombination. Unterstützt werden sie dabei von mutig schreibenden Journalisten wie dem immer wieder zu diesem Behufe in Talkshows á la Markus Lanz eingeladenen Wolfram Weimer oder – fast noch viel besser – jenem neuen konservativen Aushängeschild des Spiegel, Alexander Neubacher, der mit seiner „Gegendarstellung“ genannten Kolumne das linksliberale Spiegelimage so ein bisschen aufmischen soll. Doch was bei seinem Vorgänger Jan Fleischhauer, der mit seinem „Schwarzen Kanal“ über die letzten Jahre diese Rolle trefflich erfüllte, manchesmal ein schön zu lesender Seitenhieb (selten nur Frontalangriff) auf so manche linksgrünantiautoritärfeministischengendergerechten Irrungen und Wirrungen der Vergangenheit und auch der Gegenwart war (immerhin fühlte er sich in jungen Jahren selbst als deren Teil), gerät bei seinem Nachfolger zu einem weinerlichen Schreckenszenario, das der Spiegel nun wirklich nicht verdient hat. 

Als Beleg der bei grüner Machtübernahme auf uns herabbrechende Verbotsbevormundung führt er beispielhaft das Schottergartenverbot an, mit dem die Grünen in der NRW-Stadt Velbert dem freien Bürger verbieten wollen, die üblicherweise mit Pflanzen bewachsenen Vorgärten durch Schotterlandschaften zu ersetzen. Da sollte der gute Mann aber mal ganz schnell nach Frankfurt kommen, wo schon seit Jahren unter dem Verbotsdiktat einer Vorgartensatzung untersagt wird, Grünflächen vor den Wohnhäusern solcherart zu verschandeln. Die durch eine solche naturorientierte Verbotsdiktatur geknechtete Frankfurter Bevölkerung scheint das aber mehrheitlich nicht so beeindruckt zu haben, machten sie die Grünen doch bei der Europawahl zur stärksten Partei. 

Aber viel mehr als Schotterverbot und historische Veggiedayforderung, die ja im übrigen mittlerweile Einzug in die Verkaufsvitrinen selbst der Billigdiscounter gehalten hat, fällt den Verbotsparteianklägern aber eigentlich nicht ein. Doch, da gab es doch noch die Forderung eines Grünen, den Menschen dieses Landes aus klimarettender Sicht nur noch drei Flüge im Jahr zuzubilligen. Der Versuch, aus dieser Beschneidung individueller Freiheit (nur fliegen ist schöner) einen Skandal zu machen, verpuffte allerdings sehr schnell, da ja schließlich die überwiegende Mehrheit so gut wie nie mehr als drei Flüge pro Jahr macht. Wobei an der Idee ja eigentlich was dran ist: ähnlich wie beim CO² Emissionshandel könnte man doch die Gesamtzahl an Flügen, die ja nun bekanntermaßen ein riesiger Klimakiller sind, begrenzen. Jeder Bürger hat ein Freikontingent von zum Beispiel drei Flügen und kann dann nicht benutzte Flugrechte an die verkaufen, die mehr fliegen wollen oder meinen zu müssen. Wie ein solcher Verkauf organisiert werden kann, bedarf noch genauerer Überlegungen. Eins allerdings steht fest, die Ticketmafia á la Viagogo ist vom Handel ausgeschlossen. 

Auf die im Titel angesprochenen zehn Verbote bin ich ja jetzt gar nicht gekommen. Wer also verbotsmäßig fündig werden will, der lese außer der Bibel noch das Strafgesetzbuch, da wimmelt es nur so von Verboten. Und daran sind die Grünen nun wirklich nicht schuld.

Anmerkung: in einer vergangenen Meckerei habe ich unseren grünen Verkehrsminister kritisiert, dass er das Seniorenticket trotz seniler Bettflucht nur für Spätaufsteher machen wollte. Das hat er korrigiert: ab Januar gibt es neben dem normalen Seniorenticket, das ab 9 Uhr gilt, auch eine etwas teurere Variante für die Frühaufsteher. Na also, geht doch.

Montag, 20. Mai 2019

Armes Maintal (Mai 2019)

Nein, nicht weil der Schreiber dieser Zeilen, wie die eine oder andere Leserin (er natürlich auch) vielleicht vermuten mag, seit Anfang dieses Jahres seinen Lebensmittelpunkt in diese beschauliche Vielvölker Kunstgemeinde vor den Toren Frankfurts verlegt hat. Dazu war die Zeit dann doch zu kurz, um das Städtchen meckermäßig aufzumischen. Das aber schafft gerade eine kleines oft rundes, manchmal quadratisches Stückchen saugfähiger Pappe, das gemeinhin in Restaurants, vor allem aber in Kneipen dazu dient, an Trinkgläsern herunterlaufende Flüssigkeiten aufzusaugen. Das passiert natürlich vor allem bei einem frisch gezapften Pils. Und da haben wir den Salat. Denn nun wird aus einem Stückchen Pappe, einem Getränkeuntersetzer ein Bierdeckel. Eigentlich ja noch nichts Schlimmes, bietet er doch auch im genässten Zustand Fläche für so manche Botschaften. Mal lustig, mal bierernst (sic!), mal für Notizen und mehr oder minder lustige Fragestellungen in Ina’s Nacht. 

Den damit verbundenen Aufmerksamkeitswert wollte sich nun auch die Integrationsbeauftragte der Stadt Maintal zunutze machen. Angeregt durch eine Aktion des Vereins Orient-Netzwerk in Freiburg startete sie die Aktion „Islam auf Hessisch“, ließ Bierfilze mit drängenden Fragen zum Islam in hessischer Mundart bedrucken und in den örtlichen Wirtshäusern verteilen. Da wurde dann der gemeine Maintaler Biertrinker mit der Frage konfrontiert, ob denn Fußballer im Ramadan gar nichts essen dürfen oder ob es Weihnachten auch im Islam gibt. Diese und andere tiefsinnige Fragen sollten ihm den Islam näherbringen, der ihm ja doch immer noch etwas fremd ist. Dass er dann die Antwort auf die Fragen nicht in hessischer Mundart sondern als QR-Code auf der Rückseite des Deckels findet, erscheint angesichts der Verfassung, in der unser Bierfreund den Deckel vielleicht umdreht, eine etwas zu optimistische Herausforderung. 

Aber es war nicht dieses etwas verunglückte digitale Integrationsbemühen, das einen Sturm der Entrüstung über die zwischen Frankfurt und Hanau gelegenen Gemeinde hinwegbrausen ließ. Es war der aufmerksame Vorsitzende des Ausländerbeirats, der zwischen den an maurische Ornamente angelehnten Aufdrucken einen Bembel mit dazu gehörigem Rautenglas entdeckte. Das war nun des Guten zu viel! „Bier“deckel ging vielleicht noch, da steht ja auch schon mal ein Glas Wasser drauf. Aber dann noch die Anspielung auf Äppelwoi. Das setzte der Verherrlichung des Alkohols denn nun doch die Krone auf. Denn wie wir uns denken können, steht der muslimische Teil der örtlichen Ausländervertretung dem Alkohol doch eher ablehnend gegenüber. Aber mal ehrlich: welcher Muslim sollte im Wirtshaus bei einem Glas Apfelwein oder so über den Ramadan aufgeklärt werden. Die Zielgruppe sollte ja wohl eher der bierdeutsche Besucher sein, der immer schon mal wissen wollte, „woher komme denn all die Muslime, die wo hier in Hessen leewe“. Zugegeben, der Unterhaltungswert und vor allem der Aufklärungswert ist angesichts bier- oder apfelweinvernebelter Gehirne doch eher begrenzt. Daraus allerdings eine islamfeindliche Verbindung von Alkohol und Religion als gewollten Tabubruch zu konstruieren, wirkt dann doch etwas übertrieben – sozusagen der Sturm im Bierglas. Und dass in der Frage „De Mohammed – was war dann des eichendlisch für aaner?“ eine Verunglimpfung des islamischen Religionsstifters gesehen werden kann, weil auf (nicht in!) seinem Namen ein Bierglas abgestellt wird, zeigt, wie notwendig eine – manchmal auch spaßige – Integrationsarbeit noch ist.

Wer sagt da noch, in Maintal ist nix los?

Sonntag, 28. April 2019

Wohl bekomms (April 2019)

Wer hätte schon etwas dagegen, dass es Tieren wohlergeht. Na ja, nicht allen Tieren. Also mit Ratten zum Beispiel scheint das ja so eine Sache zu sein: Einerseits füttern wir sie ständig, indem ungebremst Speiseabfälle über die Klospülung in die Kanalisation verbracht werden, wo sie den netten Nagern ein Festmahl bereiten. Andererseits ruft kaum ein Säugetier mehr Ekel hervor als eben die gemeine Kloakenratte aus dem städtischen Untergrund. Auch Meister Lupus, der ständig Großmütter, Rotkäppchen und kleine Zicklein verspeist, steht auf der Beliebtheitsskala – zumindest in einigen Landstrichen – nicht gerade weit oben. Ebenso die gemeine Stadttaube, oftmals als Ratte der Lüfte diffamiert, weckt allerhöchstens bei einigen alleinstehenden älteren, zumeist weiblichen Menschen den Versorgungstrieb und führt zu – oft untersagten – Fütterungsorgien. Von Schlangen, Spinnen und Wespen will ich gar nicht weiter reden.

Nein, aber sonst bricht uns beim Leiden der Kreatur schon das Herz, wenn wir sehen, wie Rinder in irgendwelchen entfernten Häfen an einem Bein hängend vom Schiff auf einen LKW verladen werden. Natürlich klatschen wir da Beifall, wenn unsere Umweltministerin solcherart Quälerei von Tiertransporten untersagt. Und die ganzen niedlichen Schäflein, Häslein und Hündchen (natürlich außer dem beißwütigen Kampfterrier), denen soll es halt gut gehen. Dafür treten dann ja bei der anstehenden Europawahl allein fünf Gruppierungen an, die den Begriff Tierschutz im Namen haben*). Die Grauen Panther zähle ich jetzt mal trotz des tierischen Namens nicht dazu. So nimmt es denn auch nicht Wunder, dass die Vorreiter tierischen Wohlergehens, die Feinkostketten Lidl, ALDI, Netto, Penny und wie sie alle so heißen mögen, sich nun bei Tierwohlinitiativen nahezu überschlagen. Wenn am Wochenende die bunten Prospekte dieser Ketten im Briefkasten landen, kommen einem beim Studium bei so viel bunt gedruckten Guttieretum fast die Tränen. Da wird zertifiziert und ausgezeichnet, was das Zeug hält – besser wohl: was die Fantasie einer Marketingagentur so hergibt. Und nun, während die Vorreiterin des nachdenklichen Tierwohls, Bundestierwohlministerin Klöckner, noch über die Gestaltung bundeseinheitlicher Fleischlabels sinniert, ergreift der progressive LEH (Lebensmitteleinzelhandel) die Initiative: der Haltungskompass wird geboren. Von Stufe 1 bis 4 werden jetzt die Fleischerzeugnisse nach Haltungsnoten bewertet, also Tier- nicht Körperhaltung. Über die staatlich sanktionierte Massentierquälerei der Stufen eins (Stallhaltung mit 0,75 Quadratmeter Fläche für Mastschweine) und zwei (Stallhaltung plus) ist ja hinlänglich kritisch berichtet worden. Da auch die Stufe drei ja lediglich mit etwas mehr Frischluftzufuhr zu punkten versucht, scheint letztlich ja nur die beworbene Stufe vier Sinn zu machen. Die wird mal als Premium, mal als Bio bezeichnet. 

Aber nun kommt’s: Groß sich schulterklopfend beworben tauchen die Kennzeichnungen in dieser vierfachen Vielfalt in den Läden der beteiligten Ketten nicht mehr auf. Schweinefleisch gibt es so gut wie ausschließlich nur in der Tierqualstufe 1 (ich hab zumindest keine andere Note entdeckt). Stufe zwei findet man ab und an mal bei den Hähnchenprodukten. Bio, mit dem sich diese Läden ja nun marketingtechnisch zunehmend schmücken, gibt’s nur durch den Fleischwolf gedreht. Das heißt, Produkte der Kompassstufen 3 und vier werden tatsächlich gar nicht angeboten. Das kann man dann wohl auch getrost Verarsche nennen. Vorschlag an die Tierwohl-Discounter: kassiert einfach an der Kasse für je 100 Gramm Fleisch je nach Haltungsstufe 10 (Stufe 1) oder 5 (Stufe 2) Eurocent zusätzlich fürs Tierwohl und gebt das in einen Fond für ökologisch produzierte heimische Lebensmittel. Das kann man den Kunden sicherlich mit der ganzen Überzeugungskraft eurer bunten Wochenprospekte klarmachen.

Aber wer hört schon auf mich.

*)

PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ (Tierschutzpartei)

Aktion Partei für Tierschutz – DAS ORIGINAL (TIERSCHUTZ hier!)

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei)

PARTEI FÜR DIE TIERE DEUTSCHLAND (PARTEI FÜR DIE TIERE)

Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz (Tierschutzallianz)

Dienstag, 19. März 2019

Alte weis(s)e Männer (März 2019)

Ein Gespenst geht um in der westlichen Welt: das Gespenst der alten weißen Männer (AWM). Nicht erst seit der #MeToo-Debatte, aber verstärkt seitdem, steht dieser ominöse alte weiße Mann für das Verdorbene im Manne schlechthin. Man sieht sie förmlich vor sich, die Rest-Testosteron gesteuerten Greise, denen der Sabber beim Anblick (nicht nur) attraktiver Frauen aus den Mundwinkeln läuft. Und da sie allesamt an den Schalthebeln der Macht sitzen, nutzen sie dieses weidlich zur Befriedigung niedrigster männlicher Bedürfnisse aus. Ja sicher, es gibt sie, diese Weinsteins, Trumps, Strauss-Kahns und ihre Kumpane. Aber für die Mehrheit dieser Altersklasse gilt wohl eher die Selbsterkenntnis der Tutti-frutti Ikone aus den Anfängen des westdeutschen Privatfernsehens, Hugo Egon Balder, der zugab, auch im Alter weiterhin gerne jungen Frauen hinterherzuschauen, aber eigentlich gar nicht mehr genau wisse, warum. Und bei Licht betrachtet – das im Übrigen gar nicht so hell sein muss -, sind es ja nicht (nur) die Alten und/oder die Weißen, die ihre Machtstellung gegenüber ihren Untergebenen sexuell, finanziell, gesellschaftlich ausnutzen. Das gemeinsame Merkmal ist „Mann“. Aber das ist ja nun wirklich keine neue Erkenntnis. 

Also was soll eigentlich dieses Alte-weiße-Männer-Bashing bewirken? Altersdiskriminierung? Rassismusvorwurf? Immerhin war in der von humanistisch Gebildeten verklärten hellenistischen Antike der alte Mensch – zumeist, da hat sich bis heute ja nicht viel geändert, der Mann – zugleich auch der zu achtende weise Mann. Über die ihm immer wieder nachgesagte Vorliebe zur Knabenliebe wurde großzügig hinweggelächelt. Also nochmal: was soll diese Alt-Weiß-Mann-Zuschreibung? Wie dem alten, weißen und weißhaarigen (zumindest von dem, was noch übrig geblieben ist) Schreiber zugetragen wurde, wird AWM nun auch zum Stilmittel politischer Auseinandersetzung, eher vielleicht sogar Diffamierung. Da gibt es zur Zeit öffentlich ausgetragene Differenzen zwischen dem fürs Wohnungswesen zuständigen Landesminister Tarek Al-Wazir und großen Teilen seiner Frankfurter Basis über die Sinnhaftigkeit eines Verbots, Wohnhäuser über Jahre leer stehen zu lassen. Dass sich die Oppositionsparteien daran erfreuen, gehört zum politischen Alltagsgeschäft. Dass aber eben jener Minister seine innerparteilichen Kritiker der AWM-Kategorie zugeordnet haben soll, sozusagen als Alte-Männer-Geschwätz oder Alte-Männer-Grantelei abtat, steht ihm, der sich doch so aufopferungsvoll für ein landesweites Seniorenticket (also auch ein bisschen AWM) stark macht, nicht gut zu Gesicht. Was eigentlich macht es einem mittelalten Minister so schwer, den Großstadt-Regierungen ein Instrument an die Hand zu geben, um gegen Leerstandsspekulanten vorzugehen. Wenn es denn keine gibt, wie er behauptet, wird das Instrument halt nicht angewendet. Aber eben, wenn … 

Sicher, es ist nicht Teil der Koalitionsvereinbarungen. Aber ebenso, wie man das nicht vereinbarte Verhalten des CDU-Innenministers rund um die Eintracht Frankfurt mehr oder minder hinnimmt, kann dann durchaus auch etwas Selbstbewusstsein gegenüber dem Koalitionspartner an den Tag gelegt werden. Wie schön wäre es doch gewesen, hätten die Vertreter und -innen der Antiklimawandelpartei in der Hessischen Landesregierung ihr Augenmerk mehr auf die jungen, bunten SchülerInnen gerichtet und sie offensiv gegen den Vorwurf, illegal dem Unterricht ferngeblieben zu sein, in Schutz genommen. Regelverstoß war doch mal ein Teil grüner DNA.

Dienstag, 22. Januar 2019

Unterirdisch (Januar 2019)

Nun wird gebuddelt. Na ja, „nun“ ist ein bisschen übertrieben, aber für die Planung des Bundesverkehrsministeriums, Frankfurts Innenstadt von Niederrad bis Offenbach via Hauptbahnhof zu untertunneln, sind zumindest mal ein paar Taler per Bundesverkehrswegeplan reserviert. Also, genauer sind es 3,5642 Milliarden Euro, die in Frankfurts Untergrund versenkt werden sollen, um den Fernbahnverkehr zügiger durch das bzw. unter dem Frankfurter Schienengewirr zu lotsen. Alle, die sich mal am Hauptbahnhof auch nur oberflächlich mit den Anzeigedisplays für die ein- und ausfahrenden Züge beschäftigt haben, kennen die weiß eingeblendeten Verspätungs- und Ausfallhinweise und fiebern dieser angekündigten neuen Zügigkeit ungeduldig entgegen. Wobei der Begriff „zügig“ ja angesichts deutscher Bahnwirklichkeit schon etwas Zynisches an sich hat. Nun kommen einem aber bei einem solchen Großbuddelprojekt doch einige Zweifel. Klar, dass sich einem der Vergleich mit dem Milliardengrab Stuttgart 21 aufdrängt oder der mit dem überragenden Beispiel deutscher Planungs- und Konstruktionsunkunst am Berliner Zugroßflughafen. Allein was die veranschlagte Bausumme angeht, kann man sich ja schon vorstellen, zu welchen Höhen die sich wohl tatsächlich emporschwingen wird. Und die Herausforderung, mal eben unter den Hochhäusern des Bankenviertels durchzugraben, lässt einen nur hoffen, dass Köln kein Beispiel wird. Denn so ein umfallender Maintower wäre schon ein anderes Kaliber als das Kölner Stadtarchiv. Aber ich will ja so einen Tunnel nicht grundsätzlich schlecht reden. Unseren Planern und Ingenieuren kann man ja sicherlich unterstellen, aus den vorgenannten Beispielen auch lernen zu können. 

Und vielleicht bin ich ja auch nur deshalb so skeptisch, weil angesichts meines Geburtsjahrgangs und der zu erwartenden Zeit der Umsetzung die Chance, die Inbetriebnahme noch erleben zu können, denkbar gering ist. Aber mal ehrlich, so faszinierend so ein Fernbahntunnel unter Frankfurt auf lange Sicht auch sein mag, das Dilemma stehender und bummelnder Züge in und rund um Frankfurt wird damit erstmal überhaupt nicht gelöst – weder aktuell noch in absehbarer Zukunft. Denn wahrscheinlich werden die heute in Saft und Kraft stehenden Berufspendler die Vorteile des Tunnels – wenn überhaupt - nur mit ihrem Rentnerflatrateticket erleben können. Das spricht nicht gegen ein langfristig angelegtes Zukunftsprojekt. Dadurch dürfen aber kurz- und mittelfristige Verbesserungen im Bahnverkehr nicht hintangestellt oder gar nicht angegangen werden. Auf Frankfurt bezogen sollte schon mal darüber nachgedacht werden, ob alle Züge immer über den Hauptbahnhof fahren müssen. Ein entsprechender Ausbau des Südbahnhofs ist auf jeden Fall billiger und schneller umzusetzen, als ein Monstertunnel. Dann könnten etliche Fernverkehrszüge unter Umgehung des Kopfbahnhofs tatsächlich zügiger fahren. Die Anbindung an die Innenstadt ist hervorragend. Ja, selbst einige umständlichere Umsteigeverbindungen zwischen Süd- und Hauptbahnhof könnten durch Pünktlichkeit und damit verbundener besserer Planbarkeit kompensiert werden. Auch einige S-Bahnen, wie die zwischen Wiesbaden, Flughafen und Offenbach, müssen ja nicht unbedingt durch den überlasteten Innenstadttunnel fahren. Taktfrequenzen ließen sicher erhöhen, selbst mit Umsteigen im Südbahnhof braucht man dann wahrscheinlich nicht viel länger in die Innenstadt. Zwar müssten sicherlich noch einige Strecken ausgebaut, erweitert oder modernisiert werden, ist aber sicherlich alles einfacher und billiger zu verwirklichen als eine jahrzehntelange Buddelei. 

Ist halt nur mal so eine Idee. Aber, wie schon des Öfteren geschrieben, auf mich hört ja keiner.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Begriffsverwirrungen (Dezember 2018)

Worte als Hauptbestandteil von sprachlicher Verständigung sind ja erstmal neutral. Das Wort „rot“ beschreibt eine Farbe, man hätte sie auch blau nennen können, aber man hatte sich vor Urzeiten halt auf die Bezeichnung rot geeinigt, so dass nun jeder und jede weiß welche Farbe gemeint ist. Nun kann ein Wort aber auch zu einem Begriff werden, also zu etwas, das uns etwas begrifflich, begreifbar werden lässt. Weil in der jüngeren Geschichte die Linken von SPD bis irgendwo mal die Farbe Rot als Standessymbol erkoren haben, werden sie nun die Roten genannt, obwohl sie mit der Farbe ja gar nichts zu tun haben. Nun wollte ich aber hier nichts zu den Farbausprägungen unserer Parteienlandschaft schreiben, sondern zu den Begriffen, die Worten unserer Sprache zugeordnet werden. Und da gibt es doch gewaltige Verwirrungen oder vielleicht auch Verirrungen. Drei Beispiele:

Das Wort Wirtschaft. Alle meinen es zu verstehen und doch meinen alle oder fast alle etwas Unterschiedliches. „Ich gehe in die Wirtschaft“ kann man so oder so interpretieren. Ebenso die Feststellung, dieser oder jener mehr oder minder wichtige Mensch „kommt aus der Wirtschaft“. Im einen Fall wird dem Menschen – ob zu Recht oder Unrecht - kluger Sachverstand unterstellt, im anderen Fall eher der Wunsch nach bzw. die Erfüllung von feuchtfröhlicher Freizeitgestaltung. Wenn sich also ein Mensch mit der Bemerkung, er sei ein „Mann der Wirtschaft“ um ein politisches Amt bewirbt, kann dieses durchaus zweideutig interpretiert werden. Gerade bei Politikern ja gar keine so abwegige Interpretation. Aber selbst wenn wir mal zu seinen Gunsten (?) annehmen, er meint damit, dass er aus einem Unternehmen kommt, dann heißt das auch zugleich immer, aus der Führungsclique der dann so genannten Wirtschaft. Ich zumindest habe noch von keinem Bandarbeiter von Opel gehört, dass er sich als „Mann der Wirtschaft“ bezeichnet. Dass hier jetzt überall die männliche Form dominiert, ist sicherlich kein Zufall. 

Das zweite Wort ist „Verbot“. Davon ist beispielsweise die Straßenverkehrsordnung voll: ständig irgendwelche Abbiege-, Durchfahrt-, Halte-, Handy- und sonstige Verbote. Hört man in die politische Auseinandersetzung, dann haben all diese Verbote die Grünen verbockt, denn sie sind nach Aussagen führender christsozialer (manchmal auch -demokratischer) Politiker die alles beherrschende Verbotspartei. Die würden ja am liebsten sogar Plastiktüten verbieten. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns auf die gleiche Stufe mit einem afrikanischen Entwicklungsland wie Ruanda (und einige andere mehr) auf eine Stufe stellen, die doch tatsächlich so ein Verbot erlassen haben. Nun stammt die Verbotsforderung zwar von der EU, zeigt aber wie grün-alternativ-versifft auch der Apparat schon ist. Spitzenreiter der Begriffsverwirrten ist hier das christdemokratische Nachwuchstalent Philipp Amthor. Der Jüngling (Die Welt) aus Mecklenburg, jüngster CDU-Bundestagsabgeordneter, saß da neulich wie das Fleisch gewordene Abziehbild des sechzigerjahre Pennälers auf der Diskussionscouch von Moderatorin Maischberger, um die Grünen als „kleinkarierte Verbotspartei“ zu brandmarken. Warum und wieso begründete er mit dem Plastiktrinkhalmverbot der – na, wer wohl? - EU. Den Widerspruch, dass er sich vor einiger Zeit in einer Bundestagsrede (er ist im Übrigen ein begnadeter Redner) voll hinter „den Andi“ (Scheuer) gestellt hatte, der ein Verbot (sic!) der Vollverschleierung gefordert hatte, wird er wohl mit der Erklärung, dass es gute und schlechte, also eben schwarze und grüne Verbote gibt, auflösen wollen. 

Und dann gibt es noch das Wort Populismus. Dem hat die FAZ die Krone der Begriffsverwirrung aufgesetzt. Ließ sie noch im Regionalteil einen Wissenschaftler fundiert erklären, welche Ultra-Feinstaub-Partikel aus Verbrennungsmotoren, die durch überhaupt keinen Filter verhindert werden, in unsere Lungen und Blutbahnen gelangen, so durfte herausgehoben auf Seite eins Herr Jasper von Altenbockum kommentieren, dass es sich bei der Forderung nach sauberer Luft um grünen Populismus handle.

Also so einen Populismus lass ich mir gefallen.

Montag, 22. Oktober 2018

Elektromärchen (Oktober 2018)

Es war einmal … - nein, nicht die schwarz-grüne Koalition; das weiß ich ja zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen noch gar nicht. Da sind mir die Leser und -innen dann kurz nach Hefterscheinen weit voraus. Nein, es war einmal der Traum, ein Automobilantrieb zu schaffen, der sauber, leise, ökologisch und sonst noch irgendwie ganz toll und zukunftsträchtig sein sollte. Und so machte sich denn Anfang dieses Jahrtausends ein südafrikanischer und später kalifornischer Zukunftsdenker daran, die Welt mit elektromotorbetrieben Autos zu beglücken. Das war nun eigentlich keine revolutionär neue Idee, war doch der Beginn des automobilen Zeitalters schon durch den Elektroantrieb bestimmt. Der wohl erste elektrisch angetrieben Personenkraftwagen kam 1888 aus einer Coburger Maschinenfabrik. Dieser Antrieb musste sich dann aber dem Herrn Otto und seiner Erfindung des knatternden und stinkenden Verbrennungsmotors geschlagen geben, der mit den Vehikeln der Herren Daimler und Benz dann den Siegeszug um die Welt antrat, und wie so oft nach Siegeszügen, nicht nur das Heil der individuellen Mobilität sondern letztlich auch das Unheil von Luftverschmutzung und CO2 über uns brachte. 

So gab es dann immer mal wieder Versuche, den Elektroantrieb wiederzubeleben, scheiterten aber immer wieder vor allem an der als Stromtank dienenden Batterie – zu schwer, zu teuer, zu wenig effizient. Jener in Südafrika geborene Elon Musk war es dann, der sich mit seinen aus den Anteilen des Bezahldienstes paypal erworbenen Millionen daran machte, die Welt mit seinen Technikideen zu beglücken. Sein elektromotorgetriebenes Luxusgefährt Tesla wurde nun zum Sinnbild zukunftsweisender Automobiltechnologie. Nun, zur Geldverbrennungsmaschine Musk hab ich ja schon in anderen Meckereien hämische Bemerkungen fallen lassen, muss ich jetzt hier nicht wiederholen. Tatsache ist, dass durch seinen „Erfolg“ der batteriebetriebene Elektroantrieb zur Hoffnungstechnologie der Kritiker des Verbrennungsmotors wurde.

Die deutsche Automobilwirtschaft, einer der Träger des deutschen Wirtschaftserfolges, sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, diese Zukunft zu verschlafen und stattdessen weiterhin auf das Verbrennen fossiler Brennstoffe zu vertrauen (lassen wir hier mal diesen ganz Dieselsumpft beiseite). Völlig in den Hintergrund tritt dann bei dieser Auseinandersetzung zwischen altmodisch und umweltschädigend auf der einen und fortschrittlich und sauber angetriebenen Autos auf der anderen Seite, dass zum einen damit das Problem der zu vielen und häufig auch zu großen PKWs vor allen in den Ballungsräumen überhaupt nicht behoben, weil nicht antriebsabhängig ist. Zum anderen ist der batterieabhängige Elektroantrieb ja bekannterweise mitnichten ökologisch einwandfrei und nachhaltig, insbesondere verursacht durch die „schmutzige“ und ressourcenverschwendende Batterieproduktion. Mal ganz abgesehen von der geringen Alltagstauglichkeit aufgrund der geringen Reichweite, fehlender Ladestationen, langer Aufladezeiten etc.

Während die „soziale Verschmutzung“ durch das Auto (Verkehrsbelastung) politisch gelöst werden kann und muss, ist bei der Frage der Antriebstechnologie die immer wieder beschworene Ingenieurskunst gefragt. Die derzeit sauberste Antriebsart ist die Brennstoffzelle – die Verschmelzung von Wasser- und Sauerstoff schafft, so wissen wir alle aus dem Chemieunterricht, lediglich Wasser als Abfallprodukt. Sicher, die Probleme der Herstellung von Wasserstoff und dessen Lagerung sind noch nicht optimal und wirtschaftlich gelöst. Aber allein die häufig wegen Überlastung der Stromnetze abgeschalteten Windkrafträder könnten in diesen Pausen den Strom für die Wasserstofferzeugung in kleinen dezentralen Anlagen liefern. Hier könnte eine ökologisch orientierte grüne Wirtschaftspolitik durch gezielte Förderung Beispielhaftes leisten. Aber – wie schon anfangs gesagt – das Ergebnis der Landtagswahl ist bei Redaktionsschluss noch sechs Tage entfernt.